Klarheit beim Städtebauvorhaben in Sicht – die Schlussanträge des Generalanwalts Collins in der Causa Heumarkt Neu

Unlängst veröffentlichte der EuGH die Schlussanträge des Generalanwalts Collins zum Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wien betreffend das Vorhaben Heumarkt Neu. Die Ausführungen des Generalanwalts geben einen Vorgeschmack darauf, wie es mit dem in Österreich seit mehreren Jahren heiß diskutierten Projekt weitergehen könnte. Über den Einzelfall hinausgehend werden damit überdies die Weichen für die Klärung der kontroversen Frage der Unionsrechtskonformität der Ausgestaltung des Tatbestandes Städtebauvorhaben im österreichischen UVP-G gestellt.

 

Ausgangspunkt ist der seit Jahren schwelende Rechtsstreit, der bereits mehrere Behörden und Instanzen beschäftigte und sich im Kern darum dreht, ob das nahe des Unesco-Weltkulturerbes Historisches Zentrum von Wien situierte Vorhaben Heumarkt Neu der UVP-Pflicht unterliegt. Nach den Bestimmungen des UVP-G, in concreto dem einschlägigen Städtebauvorhabentatbestand, wäre dies nicht der Fall, da die darin normierten Schwellenwerte unterschritten werden. Beim vorlegenden Gericht sind jedoch Zweifel ob der Unionsrechtskonformität der österreichischen Regelung entstanden, weshalb es sich mit einer Reihe von Fragen an den EuGH wandte.

Zunächst könne ein Städtebauvorhaben nach Ansicht des Generalanwalts Collins nicht nur dann vorliegen, wenn ausschließlich die Errichtung neuer Gebäude umfasst ist, sondern auch dann, wenn bestehende bauliche Anlagen umgebaut werden. Basierend auf diesem weiten Begriffsverständnis kommt der Generalanwalt sodann zu dem klaren Ergebnis, dass der österreichische Städtebauvorhabentatbestand, wonach Städtebauvorhaben NUR dann einer UVP zu unterziehen sind, wenn sie gewisse auf die Größe des Vorhabens bezogene Schwellenwerte überschreiten, dem Unionsrecht widerspreche. Es sei, so der Generalanwalt, notwendig, dass nicht nur Schwellenwerte als maßgebliches Kriterium berücksichtigt werden, sondern müsse auch der Standort des Vorhabens miteinbezogen werden. Nur so könne sichergestellt werden, dass eine Einzelfallprüfung der Notwendigkeit einer UVP für Städtebauprojekte an Stätten von historischer, kultureller oder archäologischer Bedeutung, wie zB Unesco-Welterbestätten, nicht ausgeschlossen werde. Das Abstellen auf Größenkriterien alleine genüge nicht, um ausschließen zu können, dass ein geplantes Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen haben könne. Vielmehr müsse auch Umständen wie der Art oder dem Standort des Vorhabens Rechnung getragen werden.

Auch die Kumulationsregelung des UVP-G zu Städtebauvorhaben, nach der nur gleichartige Städtebauvorhaben – unter Ausschluss bestehender Projekte – zu berücksichtigen sind und diesbezüglich eine Bagatellschwelle von mindestens 25% des maßgeblichen Schwellenwerts zur Anwendung gelange, erscheint nach Ansicht Collins unionsrechtswidrig. Die besagte 25%-Hürde ignoriere nämlich unzulässigerweise, dass auch ein Projekt geringer Größe erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könne. Weiters leitet der Generalanwalt aus der UVP-RL ab, dass bestehende Vorhaben keinesfalls unberücksichtigt bleiben können. Collins gesteht den Mitgliedstaaten jedoch dahingehend Gestaltungsspielraum zu, als diese Projekte von der Prüfung ausnehmen können, deren Umsetzung jahrelang nicht vorangetrieben wurde und die wahrscheinlich auch nicht mehr ausgeführt werden. Ein Zeitraum von fünf Jahren reiche grundsätzlich aus, um vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgehen zu können.

Zuletzt vertritt der Generalanwalt noch die (wenig überraschende) Ansicht, dass die Behörden im Einzelfall festzustellen haben, ob ein Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegt, sofern die nationalen Bestimmungen dem Unionsrecht – wie im gegenständlichen Fall – widersprechen. Diese Prüfung dürfe sich nicht auf die für das betreffende Gebiet geltenden Schutzzwecke beschränken, sondern müssen sämtliche Kriterien und Aspekte des Anhangs III der UVP-RL beachtet werden (ua Merkmale des Projekts, des Standorts und der potentiellen Auswirkungen).

Abzuwarten bleibt nun, ob der EuGH, wie er dies in einem Gros der Fälle tut, den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen wird. Tut er dies, hieße es für das Vorhaben Heumarkt Neu gewissermaßen wieder zurück an den Start. Das Vorhaben müsste einer umfassenden, nicht nur auf die Prüfung der Auswirkungen auf die gegenständlich gefährdete Unesco-Welterbestätte beschränkten, Einzelfallprüfung unterzogen werden – Ausgang offen. Jedenfalls wird mit der Entscheidung des EuGH aber wohl für die auch aus Sicht der Praxis schon lange erhoffte Rechtssicherheit gesorgt werden.

Rechtssache C‑575/21

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