Auslegung des sachlichen Zusammenhangs des § 2 Abs 2 UVP-G 2000 – BVwG 22.03.2018, W113 2182383-1/10E

1. Auslegung des sachlichen Zusammenhangs des § 2 Abs 2 UVP-G 2000
In Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu W113 2182383-1/10E war fraglich, ob das gegenständliche Änderungsverfahren „8 MGD Medrigkopfbahn mit Pisten“ („Medrigkopfbahn“) gemeinsam mit dem bereits umgesetzten Änderungsverfahren „8 EUB-Versingbahn inklusive zugehöriger Pisten“ („Versingbahn“) ein Gesamtvorhaben darstellt, das aufgrund des Erreichens des Schwellenwerts von 20 ha eine UVP-Pflicht iSd § 3a Abs 1 iVm Z 12 lit b des Anhangs 1 UVP-G 2000 auslösen würde. Konkret ging es um die Beurteilung der möglichen Zusammengehörigkeit der Pisten- bzw Gondelbahnprojekte im Schigebiet See in Tirol. Bereits vor fünf Jahren wurde die „Versingbahn“ gebaut und sollte nun durch die „Medrigkopfbahn“ erweitert werden, um Schigäste im Fall von Lawinengefährdungssituationen sicher aus dem „Versingkessel“ zu bringen.

Entsprechend der Rspr des VwGH ist der Vorhabensbegriff des UVP-G 2000 weit zu verstehen (VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066). Als Vorhaben iSd § 2 Abs 2 UVP-G 2000 ist die Errichtung einer Anlage oder sonstigem Eingriff in Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen zu verstehen (vgl VwGH 23.02.2017, Ra 2014/07/0012). Stehen mehrere Anlagen bzw Anlagenteile und/oder Projekte in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang, so sind sie als ein Vorhaben zu qualifizieren (VwGH 07.09.2004, 2003/05/0218). Getrennt eingereichte Projekte dürfen daher nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr sind räumlich zusammenhängende Projekte als einheitliches Vorhaben anzusehen, wenn sie in einem derart engen funktionellen Zusammenhang stehen, dass durch ihre kumulative Wirkung Schwellenwerte oder Kriterien von Vorhaben des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erreicht bzw erfüllt werden (VwGH 20.11.2014, 2011/07/0244; 18.12.2012, 2009/07/0179; 07.09.2004, 2003/05/0218).

Gegenständlich war ein räumliches Naheverhältnis der beiden Vorhaben aufgrund der Lage der Projekte und dementsprechend ein räumlicher Zusammenhang unbestritten gegeben. Die Frage, ob ein sachlicher Zusammenhang iSd § 2 Abs 2 UVP-G 2000 zwischen den Projekten gegeben ist, kann jedoch nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung geklärt werden (VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066).

Ein sachlicher Zusammenhang wird angenommen, wenn beispielsweise ein gemeinsamer Betriebszweck iS eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens zur gemeinsamen Zielerreichung vorliegt (US 08.03.2007, US 9B/2005/8-431) oder die beabsichtigten Maßnahmen kausal und funktional mit der Verwirklichung des Vorhabens verbunden sind (Bergthaler/Weber/Wimmer, Die Umweltverträglichkeitsprüfung, III, Rz 22 f). Jedenfalls diejenigen Maßnahmen, die zur Erfüllung des Projektzwecks erforderlich sind, sind Teil des Vorhabens (vgl ausführlich BVwG 20.04.2017, W248 2145354). Folglich kommt es darauf an, ob das eingereichte Projekt einen eigenständigen Projektzweck verfolgt wird und ob das Projekt jeweils für sich funktionsfähig ist (VwGH 25.08.2010, 2007/03/0027; 20.03.2002, 2000/03/0004; BVwG 26.11.2014, W102 2000176-1). Darüber hinaus ist es ausschlaggebend, ob lediglich deswegen mehrere Vorhaben getrennt eingereicht wurden, um keine UVP Pflicht auszulösen (VwGH 25.08.2010, 2007/03/0027).

Umgelegt auf das verfahrensgegenständliche Projekt „Medrigkopfbahn“ kann aus der Rspr abgeleitet werden, dass kein sachlicher Zusammenhang der Projekte vorliegt. Wohl gibt es einen gewissen funktionalen Zusammenhang der Schilifte, dennoch ist jedes der beiden Projekte für sich alleine funktionstüchtig, sodass jeweils ein eigener Projektzweck erfüllt wird. Das BVwG sprach aus, dass es sich bei der „Medrigkopfbahn“ um eine Änderung bzw Weiterentwicklung des Schigebietes handelt. Trotz des weiten Vorhabensbegriffs kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Verwirklichung von mehreren Vorhaben in einem Schigebiet über mehrere Jahre hinweg, jedenfalls ein sachlicher Zusammenhang gegeben ist bzw dass ein einheitliches Vorhaben vorliegt (BVwG 12.10.2017, W113 2167246-1, Pitztaler Gletscher; US 05.12.2008, US 6A/2008/10-24, Ischgl). Würde man zwischen allen Schipisten und –liftanlagen in einem Schigebiet (solche Anlagen stehen naturgemäß in einem funktionalen Zusammenhang) einen sachlichen Zusammenhang sehen und die Prjekte daher als Gesamtvorhaben qualifizieren, so müssten über Jahre hinweg Kapazitäten zusammengerechnet und berücksichtig werden – die Regelung des Z 12 Anhang 1 UVP-G 2000 würde ad absurdum führen.

(BVwG 22.03.2018, W113 2182383-1/10E)