Parteistellung von Bürgerinitiativen auch im vereinfachten UVP-Verfahren

Im gegenständlichen Verfahren setzte sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit der Frage auseinander, ob Bürgerinitiativen im vereinfachten UVP-Verfahren Parteistellung zukommt. Nach dem Wortlaut des § 19 Abs 1 Z 6 UVP-G 2000 kommt Bürgerinitiativen in ordentlichen Verfahren Parteistellung zu; vereinfachte Verfahren werden jedoch ausdrücklich ausgenommen. Bürgerinitiativen sind hier gemäß § 19 Abs 2 leg cit lediglich als Beteiligte zur Partizipation berechtigt.
Dem Erkenntnis des VwGH liegt der Antrag einer Bürgerinitiative auf Zuerkennung der Parteistellung im vereinfachten UVP-Verfahren zugrunde. Nachdem die Parteistellung in erster Instanz zuerkannt wurde, vertrat das Bundesverwaltungsgericht in der Beschwerdeentscheidung die Ansicht, dass einer Bürgerinitiative lediglich Beteiligtenstellung zukomme. Gegen dieses Erkenntnis richtete sich die Revision, über welche nunmehr der VwGH zu erkennen hatte.

Nach Ansicht des Gerichtshofs sind Art 11 Abs 1 und 3 UVP-RL sowie Art 9 Abs 2 Aarhus-Konvention einschlägig, welche Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit bei ausreichendem Interesse oder Geltendmachung einer Rechtsverletzung eine Anfechtungsmöglichkeit einräumen. Im Rahmen umweltbezogener Entscheidungsverfahren – worunter UVP-Verfahren, auch solche im vereinfachten Verfahren, zu subsumieren sind – ist ein weiter Zugang zu Gerichten zu gewähren. Unter dem Terminus der „betroffenen Öffentlichkeit“ ist jene Öffentlichkeit zu verstehen, die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffen oder wahrscheinlich betroffen ist.

Um das Recht auf Zugang zu Gerichten nach Art 11 UVP-RL geltend machen zu können, reicht es aber nicht aus, bloß zum Kreis der betroffenen Öffentlichkeit zu gehören. Vielmehr wird eine qualifizierte Betroffenheit gefordert, welche entweder durch ein ausreichendes Interesse oder die Geltendmachung einer Rechtsverletzung erfüllt werden kann. In diesem Kontext verweist der VwGH auf die Urteile des EuGH vom 16.4.2015, C-570/13, Gruber, und vom 20.12.2017, C-664/15, Protect. Der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers umfasst demnach nur die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe, nicht aber die grundsätzliche Möglichkeit des Gerichtszugangs. So wurde die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Protect, wonach Umweltorganisationen neben der Rechtsmittelbefugnis auch das Recht auf Beteiligung in umweltrelevanten Verfahren einzuräumen ist, zuletzt in der Entscheidung des VwGH vom 28.3.2018, Ra 2015/07/0055, aufgegriffen.

Auf Grundlage der vorangestellten Überlegungen kam der VwGH im gegenständlichen Verfahren zu dem Ergebnis, dass das UVP-G für Bürgerinitiativen eine örtliche Nahebeziehung voraussetzt und somit regelmäßig eine Betroffenheit oder zumindest eine wahrscheinliche Betroffenheit zu dem jeweiligen Vorhaben zu bejahen ist. Demnach ist eine Bürgerinitiative, sofern sie die verfahrensrechtlichen Anforderungen des nationalen Gesetzgebers erfüllt, als Teil der betroffenen Öffentlichkeit zu qualifizieren, weshalb ihr, unabhängig davon, ob es sich um ein ordentliches oder vereinfachtes Verfahren handelt, Parteistellung zukommt. Die entgegenstehende nationale Bestimmung des UVP-G hat aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unangewendet zu bleiben.  

(VwGH 27.09.2018, Ro 2015/06/0008)