Steuerungs- und Lenkungsfunktion der Bindungswirkung iSd § 28 Abs 3 letzter Satz VwGVG

In seiner Entscheidung zu W104 2172218-1/13E vom 9. März 2018 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit der Bindung der Behörde an die rechtliche Beurteilung des Zurückverweisungsbeschluss gem 28 Abs 3 VwGVG und der Frage, worauf sich diese Bindung erstreckt.

Der NÖ Umweltanwalt brachte in seiner Beschwerde vor, dass die Behörde im Hinblick auf die Ausführungen zur Kumulierung im fortgesetzten Verfahren und bei Erlassung des neuen Bescheides nicht an die rechtliche Beurteilung des BVwG in seinem Zurückverweisungsbeschluss gebunden sei, da sich das Gericht nicht auf tragende Aufhebungsgründe stützte.

Das BVwG sprach mit seiner Entscheidung vom 9. März 2018 aus: Mit der Zurückverweisungsentscheidung des BVwG hat das Gericht der Behörde in eindeutiger und klarer Weise vorgegeben, wie die Rechtsvorschrift des § 3a Abs 6 UVP-G 2000 zu handhaben sei und im Sinne der Verfahrensökonomie eine eindeutige Bindung beabsichtigt, um nicht unnötige Ermittlungen zu provozieren, da die Behörde in ihrem Erstbescheid die gesamte Einzelfallprüfung nicht durchgeführt bzw aufgrund unzutreffender Rechtsansicht erst gar keine Verfahrensschritte gesetzt hatte.

Gemäß § 28 Abs 3 letzter Satz VwGVG ist die Behörde an die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts gebunden, von welcher es in seinem Beschluss nach § 28 Abs 3 VwGVG ausgegangen ist.

Der VwGH hat die zu § 66 Abs 2 AVG ergangene Rechtsprechung über die Rechtswirkungen einer Aufhebung und Zurückverweisung an die Erstbehörde auf die Bestimmung des § 28 Abs 3 VwGVG übertragen. Demnach erstreckt sich die Bindungswirkung der rechtlichen Beurteilung des VwG neben den Verwaltungsbehörden auch auf das VwG selbst und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Inhaltlich erstreckt sich die Bindung gem § 28 Abs 3 VwGVG auf die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht. Darüber hinausgehende Äußerungen in der Begründung des Beschlusses nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die nicht für die Aufhebung maßgeblich waren ("obiter dicta") bzw in denen das VwG der Behörde beitritt, entfalten hingegen keine Bindungswirkung für das fortgesetzte Verfahren (vgl zu allem VwGH 29.6.2017, Ra 2016/04/0118).

Als tragende Aufhebungsgründe sind insbesondere auch jene Vorgaben, die der Verwaltungsbehörde zu ihrem weiteren Vorgehen gemacht werden, zu qualifizieren, selbst wenn diese Vorgaben der Aufhebung nicht notwendigerweise unmittelbar zugrunde liegen, allerdings einen notwendigen Teil des gesamten Gedankenzusammenhangs bilden. Dadurch kann das VwG die Behörde anleiten, in welche Richtung weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind, und kommt der Bindungswirkung eine Steuerungs- und Lenkungsfunktion zu (Haas, Zur Bindung an die rechtliche Beurteilung des Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtes nach § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG, ZfV 2017, 300, 305f mwN).

Im gegenständlichen Fall handelte es sich bei den der Behörde aufgetragenen Bedingungen der Kumulationsprüfung daher um tragende Gründe der Entscheidung.

(BVwG 9.3.2018, W104 2172218-1/13E)