Meltem Senoglu, LL.M.
Im Ausgangsfall begehrten Fluggäste aufgrund einer 22-stündigen Ankunftsverspätung ihres Fluges eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung (VO (EG) 261/2004). Für einen Ausgleichsanspruch wird nach den Bestimmungen dieser Verordnung der Nachweis einer bestätigten Buchung und das rechtzeitige Einfinden zur Abfertigung vorausgesetzt.
Als Nachweis der bestätigten Buchung legten die Passagiere Kopien der Bordkarten vor.
In der Folge verweigerte das Luftfahrtunternehmen die Zahlung der Ausgleichsleistung mit der Begründung, dass eine bestätigte Buchung fehle und sie darüber hinaus ohne Preisangaben nicht überprüfen könne, ob ein Ausschlussgrund nach Art 3 Abs 3 der Verordnung (Ausnahme für kostenlose oder zu einem reduzierten Tarif gekaufte Tickets) vorliege. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass die Buchung im gegenständlichen Fall über ein Unternehmen erfolgte, das den Flug im Namen der Fluggäste direkt an das Luftfahrtunternehmen zu Vorzugspreisen beglich. Der von den Fluggästen bezahlte Preis war dem Luftfahrtunternehmen folglich nicht bekannt.
Nach der in Art 2 lit g der Fluggastrechteverordnung normierten Definition, ist hinsichtlich der Buchung darauf abzustellen, ob der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde. Der EuGH fordert eine weite Begriffsauslegung, um entsprechend der allgemeinen Zielsetzung der VO (EG) 261/2004 ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Daran anknüpfend vertritt der EuGH die Ansicht, dass die Bordkarte als „anderer Beleg“ im Sinne des Art 2 lit g der Verordnung qualifiziert werden kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde. Nach dem EuGH wird einem Fluggast für einen bestimmten Flug eine Bordkarte nämlich nur dann ausgestellt, wenn der Fluggast einen Anspruch auf die Beförderungsleistung hat. Die Bordkarte wird mit Abfertigung des Fluggasts ausgegeben.
Zudem ist nach Ansicht des Gerichtshofs schon deshalb kein Ausnahmetatbestand aufgrund des Erwerbs der Flugscheine zu Vorzugspreisen im Sinne des Art 3 Abs 3 VO (EG) 261/2004 erfüllt, weil das Luftfahrtunternehmen einen marktüblichen Preis erhalten hat. Die Beweislast hinsichtlich der Behauptung des Vorliegens eines den Ausgleichsanspruch nach dieser Bestimmung ausschließenden Grundes trifft – nach den im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten – das Luftfahrtunternehmen.
EuGH 6.3.2025, C-20/24