Mag.a Katharina Kuenburg
In der Entscheidung vom 8.9.2024 (RV/7100134/2017) hat sich das BFG zur Anwendbarkeit der Hauptwohnsitzbefreiung bei einer späterer Hauptwohnsitzbegründung von 20 Monaten nach Anschaffung geäußert.
Die Hauptwohnsitzbefreiung stellt die in der Praxis wichtigste Befreiung von der Immobilienertragsteuer dar.
Grundsätzlich setzt die Hauptwohnsitzbefreiung des § 30 Abs 2 Z 1 lit a EstG voraus, dass das Eigenheim/die Eigentumswohnung „ab der Anschaffung“ bis zur Veräußerung für mindestens 2 Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz genutzt wird.
Bisher konnte der Befreiungstatbestand auch bei einem Nutzungsbeginn des Objekts als Hauptwohnsitz spätestens ein Jahr nach der Anschaffung geltend gemacht werden und war sohin nicht befreiungsschädlich. Die Verwaltungspraxis sieht sohin für diese unverzügliche Hauptwohnsitzbegründung eine Toleranzfrist von 12 Monaten vor.
In der gegenständlichen Entscheidung wurde nunmehr die Anwendbarkeit der Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs 2 Z 1 lit a EStG bei einer Begründung des Hauptwohnsitzes nach (erst) 20 Monaten nach dem Anschaffungszeitpunkt bejaht und unter gewissen Voraussetzungen als angemessen erachtet.
Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Hauptwohnsitz im Zeitpunkt der Anschaffung begründet werden. Wenn das angeschaffte Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung jedoch noch nicht bewohnbar ist kann sich - im Interpretationswege - eine davon abweichende Beurteilung ergeben. Kann die Bewohnbarkeit dieses Gebäudes daher erst durch Sanierungsmaßnahmen hergestellt werden, liegt ein Eigenheim (eine Eigentumswohnung) erst nach Abschluss dieser Maßnahmen vor und kann sodann nach dem Sinn und Zweck der Befreiungsbestimmung eine Nutzung "ab der Anschaffung des Eigenheimes (der Eigentumswohnung)" angenommen werden.
Das gegenständliche Gebäude war im Zeitpunkt der Anschaffung noch nicht bewohnbar und musste umfassenden Renovierungsmaßnahmen unterzogen werden. Aufgrund von Insolvenzen der beauftragten Baufirmen dauerten die Renovierungsarbeiten länger als geplant. Unmittelbar nach Abschluss der Bauarbeiten und der Bewohnbarkeit des Gebäudes wurde der Hauptwohnsitz begründet.
Das BFG erklärte, dass eine Nutzung „ab der Anschaffung“ ausnahmsweise auch dann anzunehmen ist, wenn aufgrund von Umbauarbeiten eine angemessene Zeit zwischen dem Erwerb des Eigenheims (der Eigentumswohnung) und der Nutzung als Hauptwohnsitz liegt, sofern der Steuerpflichtige diese Verzögerungen nicht selbst verschuldet hat und die Nutzung zeitnah nach Abschluss der Arbeiten erfolgt ist.
Das BFG stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des VwGH vom 21.10.2003, 98/14/0047, mit welcher der VwGH feststellte, dass der Hauptwohnsitz bei der Anschaffung begründet sein muss - ein solcher Hauptwohnsitz allerdings erst in einem bewohnbaren Eigenheim begründet werden kann. In einer späteren Entscheidung stellte der VwGH klar, dass die erst nach der Anschaffung begonnene Nutzung als Hauptwohnsitz ausschließlich aufgrund von Durchführungsarbeiten zur Herstellung der Bewohnbarkeit nicht zum Ausschluss der Hauptwohnsitzbefreiung führt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher davon auszugehen, dass der Hauptwohnsitz auch dann als seit der Anschaffung des Eigenheimes begründet anzusehen ist, wenn dieser erst nach - in angemessener Zeit erfolgter - Instandsetzung eines zunächst unbewohnbaren Eigenheimes begründet wird.
Da die Verzögerung nicht selbstverschuldet war und der Hauptwohnsitz unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten begründet wurde, hat das BFG einen Zeitraum von 20 Monaten nach Anschaffung als angemessen erachtet. Es ist nicht ungewöhnlich und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Planung, Auftragserteilung und Umsetzung von größeren Bauvorhaben, wie die gegenständlichen Umbaumaßnahmen einen Zeitraum - auch ohne Insolvenz eines bauausführenden Unternehmens - von 20 Monaten beanspruchen können.
Die Entscheidung des BFG zeigt, dass der Begriff „angemessener Zeitraum“ im Zusammenhang mit der Hauptwohnsitzbefreiung im Einzelfall flexibler ausgelegt werden kann. Selbst wenn eine raschere Hauptwohnsitzbegründung objektiv nicht möglich ist und das Eigenheim oder eine Eigentumswohnung wie im gegenständlichen Fall erst nach längeren Renovierungsarbeiten bewohnt werden kann, kann die Befreiung dennoch anwendbar sein.
Eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung wurde für zulässig erklärt, da es zur Frage, was ein angemessener Zeitraum iSd § 30 Abs 2 EStG darstellt, noch keine Rechtsprechung des VwGH gibt. Soweit ersichtlich wurde allerdings keine Revision erhoben.