JF www publikationen min

JP LEGAL UPDATE 12 | 2022 UMWELTRECHT

Das Teilnahmerecht von Umweltorganisationen
Der Dieselskandal im Lichte der Aarhus-Konvention

von Mag. Domnica Zamfirescu

In einem seiner jüngsten Urteile zum Dieselskandal hatte der EuGH Art 9 Abs 3 des Übereinkommens von Aarhus auszulegen und über dessen Reichweite zu entscheiden. Er musste beantworten, wie Mitgliedstaaten den von der Aarhus-Konvention geforderten Access to Justice in Umweltsachen umzusetzen haben. War der EuGH diesbezüglich bislang zurückhaltend, so zeigte er mit dieser Grundsatzentscheidung deutlich, dass aus Art 9 Abs 3 leg cit ein starkes rechtliches Mitspracherecht der Umweltorganisationen abzuleiten ist.

Im Ausgangsverfahren hatte die Deutsche Umwelthilfe, eine nach deutschem Recht anerkannte Umweltvereinigung, eine Entscheidung des Kraftfahrt-Bundesamtes (kurz KBA) angefochten. In dieser Entscheidung hatte das KBA eine aktualisierte Fahrzeugsoftware genehmigt und die eingerichteten Thermofenster für zulässig erachtet. Die Deutsche Umwelthilfe focht diese Entscheidung an und brachte vor, die in Rede stehenden Fahrzeuge seien mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art 5 Abs 2 der Verordnung Nr 715/2007 ausgestattet. Die Entscheidung würde daher dem Unionsrecht widersprechen.

Das vorlegende Gericht bezweifelte einerseits die Klagslegitimation der Deutschen Umwelthilfe – insbesondere, ob aus der Aarhus Konvention eine Anfechtungsmöglichkeit ableitbar sei – andererseits fragte es sich, nach welchen Maßstäben festzustellen sei, ob eine Abschalteinrichtung tatsächlich notwendig ist und rief zu beiden Fragen den EuGH an. 

 

Die zweite Frage hatte der EuGH bereits im Juli dieses Jahres beantwortet und wiederholte nun, dass Abschalteinrichtungen bei in Europa völlig üblichen Temperaturen nicht zulässig sind.

Hinsichtlich der ersten Frage stellte der Gerichtshof klar, dass die im Ausgangsverfahren angefochtene Entscheidung dem sachlichen Anwendungsbereich der Aarhus Konvention unterfalle, da es sich bei der VO Nr 715/2007 um eine umweltbezogene Bestimmung handle. Anerkannten Umweltvereinigungen dürfe es außerdem nicht praktisch unmöglich gemacht werden, Rechtsmittel zu erheben. Der EuGH kam somit zum Ergebnis, innerstaatliches Verfahrensrecht müsse im Einklang mit der Aarhus-Konvention Umweltvereinigungen ermöglichen, Rechtsbehelfe zu erheben. Im konkreten Fall war die Deutsche Umwelthilfe somit zur Erhebung des Rechtsmittels gegen die Entscheidung der deutschen Behörde legitimiert.

Im Kontext des Dieselskandals hat der EuGH auch für alle zukünftigen Fälle, in denen es um die Einhaltung von unionsrechtlichen Umweltschutzvorschriften geht, bestätigt, dass anerkannte Umweltorganisationen ein Klage- oder Anfechtungsrecht haben. Die Entscheidung stellt einen Meilenstein für die Auslegung der Aarhus-Konvention dar.

 

(EuGH 08.11.2022, C-873/19; siehe dazu auch den ausführlichen Blogbeitrag auf jarolim.at)

/ Aktuelles