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Aberkennung eines Lagezuschlages wegen Verkehrslärmbeeinträchtigung

von Mag. Katharina Kuenburg

Ein Lagezuschlag zum Richtwertmietzins setzt gemäß § 16 Abs 4 MRG eine überdurchschnittliche Lage des Miethauses voraus. Die Lärmbelastung bildet ein Kriterium für die Beurteilung der (Über-)Durchschnittlichkeit einer Lage eines Miethauses iSd § 16 Abs 2 Z 3 MRG; davon unabhängig ist die Lärmbelastung der konkret zu beurteilenden Wohnung, die einen Abschlag iSd § 16 Abs 2 Z 1 MRG begründen oder deren Fehlen einen Zuschlag rechtfertigen kann.

In der Entscheidung 5 Ob 177/22y vom 12.12.2022 hat sich der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Ermittlung des zulässigen Richtwertmietzinses erneut mit den Auswirkungen von Lärmbeeinträchtigungen auf die Qualität einer Lage (Wohnumgebung) befasst.

Für die Beurteilung, ob eine konkrete Lage aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es nach der Rechtsprechung eines wertenden (Gesamt‑)Vergleichs mit anderen Lagen. In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden.

Die Beurteilung des zulässigen Mietzinses und damit auch die Frage der Berechtigung eines Lagezuschlags ist eine vom Richter (und nicht vom Sachverständigen) zu beurteilende Rechtsfrage.
In der zitierten Entscheidung handelt es sich um eine Wohnung im 5. Wiener Gemeindebezirk. Als Referenzgebiet wurde auf die innerstädtischen Gebiete mit dafür typischer mehrgeschossiger Verbauung abgestellt.

Die dort festgestellte Erschließung der Wohnumgebung des Hauses mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Möglichkeiten der Nahversorgung rechtfertigten die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage im Sinn des § 16 Abs 4 MRG nicht:

Das Mietobjekt befindet sich in einem fünfstöckigen Gebäude im mehrstöckig verbauten Wohngebiet. Geschäfte des täglichen Bedarfs sind ebenso wie die Anbindung an eine U-Bahn- und eine Autobus-Linie fußläufig erreichbar. Kulturelle Einrichtungen der innerstädtischen Bezirke sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen; auch Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sind in unmittelbarer Umgebung. Die gute öffentliche Verkehrsanbindung der Liegenschaft mit der zu beurteilenden Wohnung bringt allerdings auch die Lärmimmission durch Straßenlärm (von etwa 75 dB auf der einen und 60–65 dB auf der anderen Straßenseite des Hauses) mit sich. Diesen Umstand haben die Unterinstanzen als maßgeblich erachtet, um der verfahrensgegenständlichen Wohnung einen Lagezuschlag zu verwehren.

Der OGH billigte diese Beurteilung und beharrt somit auf seinem Standpunkt, dass im Rahmen der Ermittlung des Richtwertmietzinses Lärmbeeinträchtigungen einer Wohnumgebung für die Beurteilung der Lagequalität maßgeblich sind, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die konkrete Wohnung selbst vom Lärm betroffen ist.
Diese Ansicht wird in der Lehre teilweise kritisiert, da die völlig unterschiedliche Auswirkung der (Verkehrs-)Lärmbeeinträchtigungen auf die einzelnen Wohnungen des Hauses bzw der Wohnumgebung die Frage aufwirft, ob es denn wirklich sachgerecht und zielführend ist, Lärmimmissionen für die Beurteilung der Lagequalität zu berücksichtigen und so in zentralen Lagen, die die vollen Vorzüge urbanen Wohnens und damit verbundener Lebensqualität vermitteln, der Wohnumgebung die Qualifikation als „überdurchschnittlich“ abzuerkennen.

An der Rechtsansicht des OGH vermögen diese Erwägungen jedoch nichts zu ändern: Die Lärmbelastung der Liegenschaft bildet grundsätzlich ein Lagekriterium.

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