Terms and Conditions

Entscheidungen aus Zivilrecht und Arbeitsrecht - Ausgabe 4

Auch die aktuelle Ausgabe des Newsletters enthält wieder aktuelle Entscheidungen aus dem Zivilrecht (mit Fokus auf Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht) und Arbeitsrecht.
So stellen wir in dieser Ausgabe eine Entscheidung vor, in der sich der OGH mit der Frage befasst, ob in Fällen eines ungerechtfertigten Abrufs einer Bankgarantie der daraus resultierende Bereicherungsanspruch unter die drei- oder die dreißigjährige Verjährungsfrist fällt.
Im Bereich des Arbeitsrechts präsentieren wir unter anderem ein Judikat des Höchstgerichts, in der dieser die Frage erörtert, ob eine Kündigung vor Erreichen des Regelpensionsalters eine Diskriminierung darstellt, wenn ein Anspruch auf eine bestimmte Form der vorzeitigen Alterspension besteht. 

ZIVILRECHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN

  1. Zum Schutzzweck der Pflicht, Tiere ordnungsgemäß zu beaufsichtigen
    OGH vom 25.10.2016, 4 Ob 206/16x Seite 2
  2. Zur Schadenersatzhaftung von Kunden eines Baumarkts
    OGH vom 27.9.2016, 1 Ob 153/16f Seite 2
  3. Schadenersatzanspruch für den Abschuss eines Luchses
    OGH vom 22.12.2016, 6 Ob 229/16v Seite 3
  4. Rückforderung einer ungerechtfertigt abgerufenen Bankgarantie und deren Verjährung
    OGH vom 25.11.2016, 10 Ob 62/16i Seite 4
  5. Rauchen auf dem Balkon erfordert wechselseitige Rücksichtnahme von Raucher und Nichtraucher
    OGH vom 16.11.2016, 2 Ob 1/16k Seite 5


ARBEITSRECHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN

  1. Keine Sozialwidrigkeit trotz absehbarer deutlicher Einkommenseinbuße
    OGH 29. 11. 2016, 9 ObA 129/16k Seite 6
  2. Anspruch auf Sonderzahlungen aus Betriebsübung?
    OGH 29. 9. 2016, 9 ObA 108/16x Seite 6
  3. Akzeptierte Kündigung bei Betriebsübergang
    OGH 25. 11. 2016, 8 ObA 10/16b Seite 7
  4. Mutter kann Ersatz-Karenz statt Teilzeit-Streit wählen; ihr Recht, Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, bleibt bestehen
    OGH 16.12.2016,8 ObA 72/16w Seite 8
  5. Allgemeine Kündigungspolitik betreffend Arbeitnehmer mit Anspruch auf vorzeitige Alterspension diskriminierend
    OGH, 18.08.2016, 9 ObA 106/15a Seite 8

H I N W E I S
Dieser Newsletter beinhaltet lediglich Kurzzusammenfassungen, die keinen Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit erheben. Dieser Newsletter dient als Serviceleistung und generelle Information über aktuelle höchstgerichtliche Entscheidungen. Dieser Newsletter ersetzt weder die eigenständige Lektüre der zitierten Entscheidungen noch eine individuelle Rechtsberatung. Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH haftet weder für Fehler im Newsletter noch für nachteilige und/oder unrichtige Schlüsse, die aus seinem Inhalt gezogen werden.


I. Z I V I L R E C H T L I C H E  E N T S C H E I D U N G E N

1. Zum Schutzzweck der Pflicht, Tiere ordnungsgemäß zu beaufsichtigen
OGH vom 25.10.2016, 4 Ob 206/16x

Themenkreis: § 1320 ABGB, Hundehalterhaftung Rechtwidrigkeits-zusammenhang

In diesem Judikat beschäftigt sich der OGH mit dem Schutzzweck der Pflicht zur ordnungsgemäßen Beaufsichtigung von Tieren.

Bei einem Spaziergang führte die 72-jährige Klägerin einen Hund an der Leine auf einer Straße durch das Ortsgebiet. Als sie sich der Liegenschaft der Beklagten annäherte, lief plötzlich deren Hund aus der Einfahrt und besprang den Hund der Klägerin. Der Hund der Klägerin verteidigte sich so vehement, dass die Klägerin in der Folge zu Sturz kam und sich dabei verletzte. Der Hund der Beklagten befand sich, wie schon öfter zuvor, unbeaufsichtigt auf einer öffentlichen Straße.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz und machte im Wesentlichen eine nicht ordnungsgemäße Verwahrung des Hundes durch die Beklagte geltend. Dem hielt die Beklagte entgegen, dass sich die Klägerin bewusst für einen Spaziergang mit einem Hund entschieden und sich auf das damit verbundene Risiko eingelassen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zum Großteil statt. Demnach sei die nicht ordnungsgemäße Verwahrung für den Sturz und die Verletzungen der Klägerin kausal gewesen. Das Berufungsgericht wies allerdings das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass der Rechtswidrigkeitszusammenhang hier nicht gegeben sei. Zwar habe der Hund der Beklagten durch Bellen und Springen den von der Klägerin geführten Hund gereizt und dazu animiert, dass er ruckartig auf den Hund der Beklagten zuläuft. Die Klägerin sei aber durch das Verhalten des von ihr selbst geführten Hundes umgerissen worden. Die Hundehalterhaftung – so das Berufungsgericht weiter – habe nicht den Zweck, die durch die mangelnde Beherrschung des eigenen Hundes verursachten Verletzungen zu sanktionieren. Für die Beherrschung des eigenen geführten Hundes trage allein der Hundeführer (hier also die Klägerin) die Verantwortung. Die mangelhafte Verwahrung durch die Beklagte sei daher nicht entscheidend gewesen.

Der mit dieser Rechtssache betraute OGH gab der Revision der Klägerin Folge und stellte das Ersturteil (teilweise Klagsstattgebung) wieder her. Konkret hielt der OGH zum gegenständlichen Sachverhalt Folgendes fest: Die Haftung für einen Schaden setzt voraus, dass der eingetretene Schaden im Schutzzweck der Norm gelegen und somit vom Rechtswidrigkeitszusammenhang erfasst ist. Bei der Frage, welche Schadensfolgen dem Haftenden noch zuzurechnen sind, kommt es darauf an, aus welchen Gründen die die Haftpflicht anordnende Norm aufgestellt wurde und welche Schäden nach dem Zweck des Gesetzes von der Ersatzpflicht noch erfasst werden sollen. Auch die Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB ist nur für solche Schäden gegeben, die im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehen. Das Verschulden des Haftenden muss sich aber nicht auf den Schaden selbst beziehen. Es genügt, wenn die Veranlassung des schädigenden Verhaltens des Tieres verschuldet ist. Dabei muss der eingetretene Schaden auf die „besondere Tiergefahr“ zurückzuführen sein, der durch die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung des Tieres begegnet werden soll. Eine Haftung des Tierhalters kommt demnach nur in Betracht, wenn der Schaden auf die „spezifische Gefährlichkeit des Tieres“ zurückzuführen ist.

Dies ist aber – so der OGH weiter – gegenständlich nicht der Fall. Ungeachtet des Umstands, dass die Klägerin durch die schreckhafte Reaktion ihres Hundes verletzt wurde, ist hier nach Ansicht des Höchstgerichts der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu bejahen. Die ruckartige Reaktion des Hundes der Klägerin war unmittelbare Reaktion auf den „Angriff“ des Hundes der Beklagten. Damit hat sich gerade eine typische Gefahr eines unbeaufsichtigten Tieres verwirklicht, die darin liegt, dass durch das Verhalten des Hundes andere Tiere aufgeschreckt werden und dadurch Schäden verursachen.

2. Zur Schadenersatzhaftung von Kunden eines Baumarkts 
OGH vom 27.9.2016, 1 Ob 153/16f

Themenkreis: Schadenersatz, Fahrlässigkeit

In der vorliegenden Entscheidung befasst sich der OGH mit der Frage der Schadenersatzhaftung eines Kunden, der die Verletzung einer unbeteiligten Person durch unvorsichtiges Hantieren mit Waren zu verantworten hat.

Die beklagten Parteien kauften in einem Baumarkt eine große Menge an Gipskartonplatten und luden diese in einen vom Baumarkt zur Verfügung gestellten Transportwagen. Das Angebot eines Mitarbeiters des Baumarktes, das Material auf den Parkplatz zu bringen, lehnten sie zuvor ab. Bei der Beladung lehnten die beklagten Parteien die Gipskartonplatten an die beiden Seitenteile des Wagens, sodass diese nahezu senkrecht standen, damit mehr Material auf einmal transportiert werden konnte. Missachtet wurde dabei jedoch eine durch Anschlag deutlich sichtbare Anweisung des Baumarkts, Gipskartonplatten so zu transportieren, dass sie beidseitig gleichmäßig nach außen neigen und in der Mitte der Standfläche des Wagens zusammenstoßen. Als der Wagen bereits mit mehr als 600 kg beladen war, stießen die beklagten Parteien beim Versuch, eine weitere Platte über die bereits im Transportwagen Befindlichen zu heben, an jene auf dieser Seite an. Daraufhin kippten jene Platten auf die andere Seite und rissen dadurch den Transportwagen um. Der Wagen stürzte auf einen Baumarktmitarbeiter, der dabei schwer verletzt wurd.

Während das Erstgericht die Schadenersatzklage abgewiesen hatte, nahm das Berufungsgericht eine Schadenersatzhaftung der beklagten Parteien wegen der sorglosen Ausführung einer gefährlichen Handlung an.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde vom OGH mit folgenden Ausführungen bestätigt:

Einerseits missachteten die beklagten Parteien das Hinweisschild über die richtige Beladungsart, mit der ein Verrutschen und Umkippen der Platten verhindert worden wäre. Andererseits sei es den beklagten Parteien vorwerfbar, nicht bedacht zu haben, dass es bei einer Ladung von über 600 kg durch das Umfallen einzelner nahezu senkrecht aufgestellter Gipskartonplatten zu einem Kippen des Transportwagens kommen kann, obwohl dies jedem Kunden bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt klar sein muss. Den Beklagten ist daher ein grob fahrlässiges Verhalten vorwerfbar, das sie gegenüber dem verletzten Kläger schadenersatzpflichtig macht.

3. Schadenersatzanspruch für den Abschuss eines Luchses
OGH vom 22.12.2016, 6 Ob 229/16v

Themenkreis: Schadenersatz, Drittschadensliquidation, Verletzung von Schutz-gesetzen

In der gegenständlichen Entscheidung befasst sich der OGH mit der Frage, ob die naturschutzrechtlichen Bestimmungen auch dem Schutz von Vermögensinteressen dienen und ob deshalb Schadenersatz zugesprochen werden kann.

Die Beklagte wurde beschuldigt, im Jahr 2013 einen Luchskuder mit einem Kugelgewehr abgeschossen zu haben. Damit wurde gegen eine Richtlinie und die Artenschutzverordnung sowie die Schonzeitenverordnung des Landes Oberösterreich verstoßen. Es erfolgte eine strafrechtliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Schädigung des Tierbestands gemäß § 181f Abs 1 StGB. Die klagende Partei wurde im Strafverfahren mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Von der Klägerin vorgebracht wurde, dass sie aufgrund eines gesetzlichen Auftrages zur Gewährleistung und Förderung des Bestandes der Luchse im und um den Nationalpark Kalkalpen verpflichtet sei und somit Ersatz der Wiederansiedlungskosten begehre.

Die beklagte Partei bestritt und wendete ein, dass die Klägerin keinen Schaden erlitten hätte, weil es sich um einen wildgeborenen Luchs handle und die Erlegung außerhalb des Nationalparks erfolgte. Außerdem werde die Bestandsstützung aus öffentlichen Fördermitteln finanziert und die Klägerin habe keinen gesetzlichen Auftrag zur Wiederansiedlung. Die Pflichten würden sich auf das Gebiet des Nationalparks beschränken und unmittelbar Geschädigte wäre als Jagdberechtigte – im Gebiet außerhalb des Nationalparks – die katholische Kirche. Es liege keine bloße Schadensverlagerung, sondern, wenn überhaupt, nur ein – bei deliktischer Haftung nicht ersatzfähiger – mittelbarer, bloßer Vermögensschaden vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, indem es den naturschutzrechtlichen Bestimmungen auch vermögensschützenden Charakter zusprach und die Bestimmung des § 181f Abs 1 StGB als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB qualifizierte. Das Berufungsgericht wies die Klage jedoch mit der Begründung ab, dass Normzweck des § 181f StGB der Umweltschutz und damit öffentliches Interesse sei und kein bestimmter Personenkreis geschützt werden solle.

Der OGH stellte im Zuge der Revision das Urteil des Erstgerichts wieder her und begründete dies wie folgt:

Grundsätzlich kommt dem „Vermögen“ einer Person kein absoluter Schutz zu. Ein reiner Vermögensschaden ist bei fahrlässiger Zufügung außerhalb (vor-)vertraglicher Beziehungen grundsätzlich nicht ersatzfähig. Ein Vermögensschaden ist aber im deliktischen Schadensbereich dann ersatzfähig, wenn ein bloßer Vermögensschaden durch Verletzung von Schutzgesetzen herbeigeführt wurde. Ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz verpflichtet aber nur insoweit zum Ersatz, als der Schaden aus der Verletzung eines Rechtsguts entstanden ist, zu dessen Schutz die Schutznorm erlassen worden ist.

Eine solche Schutznorm sieht der OGH in der Bestimmung des § 181f StGB. Diese Norm wurde in Umsetzung einer EU-Richtlinie eingeführt, um die Umwelt in ihren Erscheinungsformen und somit wildlebende Tier- oder Pflanzenarten zu schützen. Ein Schutz solcher Arten ist nur mit finanziellen Mitteln möglich und deshalb wurden die Mitgliedstaaten aufgefordert geeignete Maßnahmen zu treffen. Gemäß Art 15a B-VG iVm der VO der OÖ Landesregierung wurde die Klägerin damit betraut den Schutz des Lebensraums der Tiere und Pflanzen im Nationalpark Kalkalpen zu sichern. Somit ist der Schutzzweck des Gebietes unter anderem die Erhaltung der Lebensräume des Luchses. Das Töten des Luchses ist nicht nur deshalb rechtswidrig, weil ein ideelles Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung dieser Tierart besteht, sondern, weil die Verpflichtung des Staates zur Setzung von Maßnahmen – national und international – einen nicht unwesentlichen finanziellen Aufwand bedeutet. Insoweit dient § 181f StGB daher auch dem Schutz finanzieller Interessen derjenigen, die diesen Aufwand zu tragen haben.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten kommt hier auch nicht das Argument zum Tragen, dass der Ersatz bloßer Vermögensschäden zu einer Gefahr einer Ausuferung der Haftung führen würde. Dies deshalb, weil im gegenständlichen Fall ja nicht ein beliebiger Dritter als Kläger auftritt, sondern gerade jener Rechtsträger, der durch Gesetz zum Schutz eben jener Tierpopulation eingerichtet wurde, in den der Beklagte eingegriffen hat. Wenngleich die Klägerin nicht Eigentümerin des getöteten Luchses war, ist sie rechtlich doch zur Erhaltung von dessen Population verpflichtet, was ihre Stellung jener eines Eigentümers annähert.

Es besteht daher aufgrund der Verletzung der Bestimmung des § 181f StGB eine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin.

4. Rückforderung einer ungerechtfertigt abgerufenen Bankgarantie und deren Verjährung
OGH vom 25.11.2016, 10 Ob 62/16i

Themenkreis: Bankgarantie, Haftrücklass, Verjährungsfrist des Bereicherungsanspruchs wegen unberechtigten Abrufs der Bankgarantie

Im gegenständlichen Fall befasste sich der OGH mit Frage, ob in Fällen des ungerechtfertigten Abrufs einer Haftrücklassgarantie der Bereicherungsanspruch unter die drei- oder die dreißigjährige Verjährungsfrist fällt.

Die Beklagte und gleichzeitig Werkbestellerin schloss mit einer Bau-Arbeitsgemeinschaft (kurz Bau-ARGE) einen Generalunternehmervertrag. Der Kläger, beteiligt an der Bau-ARGE, verpflichtete sich zur schlüsselfertigen, betriebsbereiten und uneingeschränkten Errichtung eines Hotels. Ein im Generalunternehmervertrag festgelegter Haftrücklass iHv 5% der gesamten Auftragssumme war für etwaige Gewährleistungsansprüche der Werkbestellerin vereinbart. Der Haftrücklass wurde von einer Bank durch eine abstrakte Bankgarantie iHv EUR 500.000,- abgelöst. Im Zeitraum vom 23. Dezember 2010 bis zum 2. Februar 2012 nahm die beklagte Partei die Bankgarantie in mehreren Teilziehungen zur Gänze in Anspruch. Die Klägerin machte nun einen Rückforderungsanspruch wegen ungerechtfertigter, Inanspruchnahme der Bankgarantie gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte bestritt und brachte unter anderem vor, dass die letzte Teilinanspruchnahme der Garantie bereits mehr als drei Jahre zurückliege und der Rückforderungsanspruch daher bereits verjährt sei.

Das Erstgericht wies die Klage mit dem Hinweis der dreijährigen Verjährungsfrist ab. Die Verjährungsfrist beginnt bei Bereicherungsansprüchen mit Eintritt der Bereicherung, im vorliegenden Sachverhalt mit der letzten Teilinanspruchnahme der Garantie am 2. Februar 2012. Der begehrte Anspruch in der eingebrachten Klage vom 1. April 2015 sei damit verjährt. Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts.

Der OGH hat dazu wie folgt erwogen: Die Bankgarantie, die im vorliegenden Fall anstelle eines Haftrücklasses gegeben wird, dient nur zum „Hinausschieben“ des Werklohnanspruchs bei allfälligen Gewährleistungsansprüchen durch den Werkbesteller. Wird die Garantie unberechtigterweise gezogen, so bleibt der Werklohnanspruch bestehen. Dass die Parteien den Haftrücklass durch eine Haftrücklassgarantie ausgetauscht haben, soll zu keiner Verschlechterung der Rechtsposition des Werkbestellers führen. Nach der neueren Rsp des OGH besteht zwischen der Einforderung des Werklohns sowie der Rückforderung des zu Unrecht in Anspruch genommenen Garantiebetrags kein derart großer Unterschied, dass bei Ersterem die „kurze“ und Letzterem die „lange“ Verjährungsfrist gerechtfertigt wäre. Im Ergebnis ist die dreijährige Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch (§ 1486 Z 1 ABGB) in analoger Anwendung auch auf den Bereicherungsanspruch der Bau-ARGE gegen die beklagte Werkbestellerin wegen unberechtigten Abrufs der Bankgarantie anzuwenden. Die Klage wurde daher wegen Verjährung des geltend gemachten Bereicherungsanspruchs abgewiesen.

5. Rauchen auf dem Balkon erfordert wechselseitige Rücksichtnahme von Raucher und Nichtraucher
OGH vom 16.11.2016, 2 Ob 1/16k

Themenkreis: Immissionen, Grundrechtseingriff

In diesem Judikat befasst sich der OGH mit der Frage, ob das Rauchen am Balkon einer wechselseitigen Rücksichtnahme von Raucher und Nichtraucher erfordert.

Beide Parteien des Verfahrens wohnen im selben Wohngebäude in Wien. Der Kläger ist Mieter einer im 7. Stock gelegenen Wohnung, die Mietwohnung des beklagten liegt schräg darunter im 6. Stock. Die Terrassen sind beide hof- bzw. gartenseitig ausgelegt und nur wenige Meter voneinander entfernt. Der Beklagte raucht täglich ein bis zwei Zigarren, eine meist nach der Arbeit zwischen 00:00 und 2:00 Uhr. Abhängig vom Wetter bzw. der Jahreszeit raucht er bei geöffnetem Fenster oder bei geschlossenem Fenster, wobei er danach lüftet. Als Nichtraucher fühlt sich der Kläger durch den Zigarrenrauch, der durch sein geöffnetes Fenster oder die geöffnete Balkontüre eindringt, massiv belästigt.

Der Kläger begehrt die Unterlassung von Rauch- und Geruchsimmissionen aus der Wohnung des Beklagten. Das Erstgericht gab dem Begehren statt, aber das angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung ab und gab dem Klagebegehren teilweise statt, nämlich mit einem Rauchverbot für die Nachtstunden (22 bis 6 Uhr).

Der OGH hielt dazu Folgendes fest:

Ein zeitlich unbeschränktes „Rauchverbot“ kommt wegen des auch vom Kläger zu beachtenden nachbarrechtlichen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme nicht in Betracht.

Der vom Beklagten behauptete Verstoß gegen Art 8 EMRK – Grundrecht auf Achtung des Privatlebens – führt zu einer umfassenden Güter- und Interessensabwägung. Diese geht zu Gunsten des Klägers aus, weil sein Interesse, sein Leben rauchfrei zu gestalten schwerer wiegt, als das Interesse des Beklagten, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen.

Ausgehen davon muss für den Zeitraum zwischen 22:00 und 6:00 Uhr muss eine Abwägung zwischen dem Bedürfnis des Klägers, in seiner Nachtruhe nicht gestört zu werden, und dem Bedürfnis des Beklagten, seinen Arbeitstag mit einer Zigarre zu beenden, zugunsten des Klägers ausfallen. Diese Beeinträchtigung wird jedoch nur auf jene Jahreszeit beschränkt, in der der durchschnittliche Wohnungsmieter bei offenem Fenster schläft.

Tagsüber muss sich der Beklagte an die üblichen Essens- und Ruhezeiten halten, wobei auch hier ein Unterschied zwischen den Jahreszeiten gemacht wird. In den Sommermonaten ist eine Nutzung der Terrasse zur Einnahme von Mahlzeiten von einem durchschnittlichen Mieter zu erwarten, wohingegen in der kälteren Jahreszeit nur die Möglichkeit für ein „rauchfreies Lüften“ gewährleistet sein muss.

Daher hat der Beklagte das Rauchen von Zigarren in folgenden Zeiträumen zu unterlassen:

- vom 1. Mai bis 31. Oktober jeden Jahres von 22:00 bis 6:00 Uhr, 8:00 bis 10:00 Uhr, 12:00 bis 15:00 Uhr und 18:00 bis 20:00 Uhr; und

- vom 1. November bis 30. April jeden Jahres von 8:00 bis 9:00, 13:00 bis 14:00 Uhr und 19:00 bis 20:00 Uhr.

 

II. A R B E I T S R E C H T L I C H E  E N T S C H E I D U N G E N

1. Keine Sozialwidrigkeit trotz absehbarer deutlicher Einkommenseinbuße
OGH vom 29.11.2016 9 ObA 129/16k

Themenkreis: Arbeitsrecht, Kündigung, Sozialwidrigkeit

Dem OGH lag folgender Sachverhalt zugrunde.

Die 45-jährige Klägerin war zuletzt als Leiterin eines Reisebüros des Beklagten tätig und wurde gekündigt. Die Klägerin hat die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit angefochten.

Der OGH hat bereits wiederholt festgestellt, dass es für die erfolgreiche Anfechtung einer Kündigung wegen Sozialwidrigkeit des Nachweises durch den Arbeitnehmer bedarf, dass für ihn durch die Kündigung eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Lage erfolgt. Für eine korrekte Beurteilung sind die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers sowie die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes heranzuziehen.

Das Berufungsgericht hat bereits unter Heranziehung der vom OGH in seiner Judikatur erarbeiteten Grundsätze die Sozialwidrigkeit der Kündigung verneint.

Die Klägerin kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten sechs Monate eine vergleichbare Teilzeitbeschäftigung erlangen. Die Klägerin hat zuletzt ein überdurchschnittlich hohes Entgelt bezogen, eine daher zu erwartende Geldeinbuße von ca 20% stellt im vorliegenden Sachverhalt auch keinen derart erheblichen sozialen Nachteil dar. Die Klägerin bezieht ferner Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung. Zu finanzieren sind die notwendigen Lebenshaltungskosten der Ehegatten und ihrem minderjährigen Kind.

Die Kündigung war laut OGH in einer Gesamtbetrachtung nicht sozialwidrig, weil die Interessenbeeinträchtigung der Klägerin nach der Lage des vorliegenden Einzelfalls für sie vertretbar war.

2. Anspruch auf Sonderzahlungen aus Betriebsübung
OGH 29. 9. 2016, 9 ObA 108/16x

Themenkreis: Betriebsübung, Individualübung, Sonderzahlungen

Dieses Judikat setzt sich mit den Ansprüchen auf Sonderzahlungen aus einer betrieblichen Übung auseinander.

Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorbehaltlos bestimmte Leistungen und stimmt der Arbeitnehmer ohne jegliche Zweifel, durch ein schlüssiges Verhalten, dem Willen des Arbeitgebers sich für die Zukunft in seinem Betrieb zu verpflichten zu, so führen diese Leistungen zu einer Ergänzung des Arbeitsvertrags, woraus sich einzelverträgliche Ansprüche ergeben. Betrifft das wiederholte Verhalten einen Großteil der Belegschaft so spricht man dann von einer sogenannten Betriebsübung. Würde das Verhalten nur einen oder wenige Arbeitnehmer betreffen, so handle es sich um eine Individualübung.

Eine Betriebsübung sind Verhaltensweisen, die sich im Betrieb oder im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der Zeit eingespielt haben.

Die herrschende Ansicht geht davon aus, dass regelmäßige gleichförmige Verhaltensweisen konkludent Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden können. Nach der dritten vorbehaltslosen Gewährung von Leistungen des Arbeitgebers dürfen die Arbeitnehmer diese schon als regelmäßig wiederkehrend betrachten.

Der Arbeitgeber hat keine tatsächliche Erklärung abzugeben, es reicht der Eindruck den die Arbeitnehmer bei Würdigung aller Umstände aus seinem Verhalten schließen können.

In jedem Fall hat der Arbeitgeber die betroffenen Arbeitnehmer bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen auch gleich zu behandeln. Es muss objektiv geprüft werden, ob der Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber begünstigte Leistung vertrauen darf. Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut, ist nicht zu prüfen.

Es muss sohin nach konkreten Umständen beurteilt werden, ob eine Betriebsübung oder Individualübung vorliegt.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin Sonderzahlungen begehrt, welche sich weder aus dem Gesetz noch aus dem Kollektivvertrag ableiten ließen.

Der beklagte Arbeitgeber beschäftigte Mitarbeiter auf der Basis von zwei unterschiedlichen Verträgen. Der Großteil der Mitarbeiter, zu jener auch die Klägerin gehörte, bekamen keine Sonderzahlungen ausgezahlt.

In jenem Fall bestand schon deshalb keine Betriebsübung, da die Klägerin ihre Situation mit jener Gruppe von anderen Arbeitnehmern verglich, die zwar Sonderzahlungen erhielten, jene Zahlungen aber nicht auf einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung beruhten.

Auf eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes berief sich die Klägerin aber nicht. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen einer Betriebsübung unter den genannten Umständen verneint.

3. Akzeptierte Kündigung bei Betriebsübergang
OGH 25.11.2016, 8 ObA 10/16b

Themenkreis: Betriebsübergang, § 3AVRAG, Wahlrecht des Arbeitnehmers

Die Entscheidung des OGH beschäftigt sich mit der Übernahme der Haftung bei Übergang eines Unternehmens.

3 AVRAG hält fest, wenn ein Unternehmen übergeht, sämtliche mit Rechten und Pflichten bestehenden Arbeitsverhältnisse, die im Zeitpunkt des Übergangs bestehen, auf den zukünftigen Arbeitgeber übergehen. Dem Arbeitnehmer steht allerdings ein Wahlrecht dahingehend zu, dass er, statt auf der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Übernehmer des Betriebs zu bestehen, die Beendigung dessen akzeptiert und im Falle einer terminwidrigen Kündigung die Kündigungsentschädigung begehrt. Auch steht dem Arbeitnehmer frei, auf den (im Falle einer nicht normkonformen Kündigung) gewährleisteten Schutz zu verzichten und Ansprüche aus der ungerechtfertigten Beendigung geltend zu machen, anstatt einer Rechtsunwirksamkeit der Kündigung.

Was als Ausübung des Wahlrechts anzusehen ist, ist eine Einzelfallbetrachtung.

Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin von einem der Vorpächter, bei dem sie beschäftigt war, im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang auf die Nachpächterin gekündigt.

Im nachfolgenden Konkurs der Vorpächterin hat die Klägerin Abfertigungsansprüche und eine Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen begehrt und die Auszahlung einer entsprechenden Konkursquote erhalten.

Festgehalten wird, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Arbeitsverhältnis welches nach § 3 AVRAG auf den Übernehmer des Unternehmens übergeht und dieser gemäß § 6 Abs 1 AVRAG mit dem Übergeber solidarisch für den rückständigen Lohn haftet, kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld aus einer Insolvenz des Übergebers des Unternehmens besteht.

Übt der Arbeitnehmer sein Wahlrecht, auf Basis des Betriebsüberganges, aus und akzeptiert dieser die ungerechtfertigte Auflösung des Arbeitsverhältnisses, so trägt er das Risiko der Insolvenz des Übergebers. Ihm stehen keine Ansprüche nach dem IESG zu.

4. Mutter kann Ersatz-Karenz statt Teilzeit-Streit wählen; ihr Recht, Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, bleibt bestehen
OGH vom 16.12.2016, 8 ObA 10/16b

Themenkreis: Elternteilzeit, Ersatzkarenz

In diesem Judikat befasst sich der OGH mit der Frage, ob eine Mutter Ersatz-Karenz statt Teilzeit-Streit wählen kann und ob ihr Recht, Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, bestehen bleibt.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Da die Klägerin im Jänner 2013 Zwillinge geboren hat, nahm sie ein Jahr Karenz in Anspruch. Knapp vor dessen Ablauf teilte sie dem beklagten Dienstgeber mit, sie wolle die Elternteilzeit – bis zum Ablauf des 7. Lebensjahrs der Kinder – in Anspruch nehmen. Da der Beklagte dies ablehnte schlug die Klägerin stattdessen eine (Ersatz)Karenz bis zum 2. Geburtstag ihrer Kinder vor, die genehmigt wurde.

Vor Ablauf der Ersatzkarenz machte die Klägerin abermals den Anspruch auf Elternteilzeit geltend, der – wie zuvor – von dem Beklagten abgelehnt wurde.

Infolge dessen begehrte die Klägerin die Feststellung, dass sie berechtigt sei, die Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen.

Der OGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen und hielt dazu Folgendes fest:

Das Mutterschutzgesetz sieht sowohl die Karenz als auch Elternteilzeit als Möglichkeit für die Mutter, trotz aufrechtem Dienstverhältnis, sich der Kinderbetreuung zu widmen. Die Wahl zwischen Karenz und/oder Elternteilzeit obliegt einzig und allein der Dienstnehmerin, die an die gesetzlichen Meldefristen und an die Maximaldauer des Anspruches gebunden ist. Im Falle eines Bestehens auf die Elternteilzeit seitens der Dienstnehmerin, hätte der Dienstgeber Klage einbringen müssen.

Gem § 15m Abs 1 Z 1 MSchG hat der Dienstnehmer, nach Scheitern einer Einigung über die Elternteilzeit, die Möglichkeit sofort in Ersatzkarenz zu gehen. Es bedarf lediglich einer Erklärung der Dienstnehmerin, dass sie aufgrund der nicht zustande gekommenen Einigung über die Elternteilzeit in Ersatzkarenz geht. Verfahrensrechtlich ist dies als eine Zurücknahme des Antrags auf Teilzeitbeschäftigung zu qualifizieren. Ein endgültiger und dauerhafter Verzicht auf den Anspruch auf Elternteilzeit widerspreche laut OGH dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.

Insgesamt hält der OGH fest, dass die Klägerin berechtigt ist, auch nach Bekanntgabe der Inanspruchnahme der Ersatzkarenz, ein Begehren auf Elternteilzeit zu stellen, sofern die restlichen Voraussetzungen gegeben sind.

5. Allgemeine Kündigungspolitik betreffend Arbeitnehmer mit Anspruch auf vorzeitige Alters-pension diskriminierend
OGH vom 18.8.2016, 9 ObA 18/16m

Themenkreis: Altersdiskriminierung, RL 2007/78/EG, beschäftigungspolitische Ziele

In der vorliegenden Entscheidung befasste sich der OGH mit der Frage, ob eine Kündigung vor Erreichen des Regelpensionsalters eine Diskriminierung darstellt, wenn ein Anspruch auf eine bestimmte Form der vorzeitigen Alterspension besteht.

Dem vorliegenden Judikat lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war als Messtechniker im Fernsehdienst beim beklagten Arbeitgeber seit 1.9.1994 gemäß dem Kollektivvertrag für Dienstnehmer des Österreichischen Rundfunk und Fernsehen (ORF-KV 1996A) beschäftigt.

Mit Schreiben vom 28.3.2012 kündigte der Beklagte das Dienstverhältnis mit dem Kläger zum 31.8.2012. Ab 1.9.2012 hätte der Kläger Anspruch auf vorzeitige Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer.

Der Kläger begehrt die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung. Dabei stützt er sich auf folgende Ausführungen: Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, weil sie eine wesentliche Beeinträchtigung seiner sozialen Interessen bewirke und nicht durch personenbezogene oder betriebliche Gründe gerechtfertigt werden könnte. Außerdem liege eine Beendigungsdiskriminierung aufgrund des Alters vor. Der Kläger bringt vor, dass für den Beklagten bei Kündigungsentscheidungen ausschließlich das Alter ausschlaggebend war, weil der Beklagte grundsätzlich sämtliche Dienstnehmer mit Erreichen eines gesetzlichen Pensionsanspruchs kündige. Der Beklagte sei seiner sozialen Gestaltungspflicht nicht nachgekommen und es liege kein Rechtfertigungsgrund für die Altersdiskriminierung vor. Der Kläger müsse vor Erreichen des Regelpensionsalters mit Abschlägen rechnen und er habe nur eine eingeschränkte Möglichkeit zur Teilnahme am Arbeitsmarkt.

Der Beklagte bestritt und führte aus, dass die Kündigung nicht sozialwidrig sei, weil keine wesentliche Interessensbeeinträchtigung aufgrund der gesetzlichen Alterspension vorliege. Es werde keine weitere Teilnahme am Erwerbsleben verwehrt, da neben der vorzeitigen Alterspension Nebeneinkünfte aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung lukriert werden könnten. Der Beklagte befinde sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und hätte nur aufgrund eines Bundeszuschusses ein positives Ergebnis erreichen können. Dieses wäre an Auflagen geknüpft, worunter auch die Personalaufwandsreduktion zähle. Er habe ein Gutachten einholen lassen, das die Vornahme von Pensionierungen als die weitaus sozialste Form des Personallabbaus ansehe. Der Arbeitsplatz des Klägers sei nicht nachbesetzt worden. Des Weiteren liege eine Altersdiskriminierung nicht vor, weil der Kläger sogar älter sei als andere Mitarbeiter, die aufgrund der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Korridorpension gekündigt würden. Altersgrenzen seien zur Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts nicht unsachlich.

Das Erstgericht gab der Klage statt und erklärte die Kündigung des Klägers vom 31.8.2012 für unwirksam, da eine unmittelbare Altersdiskriminierung ohne Rechtfertigung iSd § 20 Abs 3 GlBG vorliege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und hob das angefochtene Ersturteil, unter Verweis auf ergänzende Verhandlung und neuerliche Entscheidung durch das Erstgericht, auf. Der EuGH räume iZm der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG den Mitgliedstaaten bei der Wahl der beschäftigungspolitischen Ziele und deren Verwirklichung einen weiten Entscheidungsspielraum ein. Rein finanzielle Erwägungen stellten kein legitimes Ziel dar. Hier müsse eine allgemeine Kündigungspolitik des Arbeitgebers, die eine gesetzliche Rahmenbedingung darstellt, beurteilt werden. Deshalb müsse man nach § 20 Abs 3 GlBG prüfen, ob es sich um eine aus wirtschaftlichen Gründen notwendige Kündigung handelt und für welche Arbeitnehmer die Kündigung die geringste Härte bedeute. Es ist daher legitim darauf zu achten, ob ein Arbeitnehmer durch einen Pensionsanspruch sozial abgesichert sei.

Der EuGH hat in seiner Rsp aber festgehalten, dass wirtschaftliche Gründe, wie der drohende Verlust staatlicher Zuwendungen bei Nichtsenkung der pro Kopf Personalkosten, eine Diskriminierung nicht rechtfertigen kann. Die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer darf nicht allein an einen möglichen, bereits bestehenden Pensionsanspruch (Korridorpension oder Alterspension bei langer Versicherungsdauer) geknüpft sein. Der Stellenabbau, der insbesondere ältere, daher teurere Arbeitnehmer, die über einen Pensionsanspruch verfügen trifft, war damit nicht sozial ausgeglichen und stellte auch kein angemessenes Mittel zur Zielerreichung (Senkung der Personalkosten) dar. Die Kündigung war im vorliegenden Fall altersdiskriminierend und damit nicht gerechtfertigt. Anders wäre es, wenn der Kläger aufgrund der schlechteren sozialen Situation anderer Arbeitnehmer (soziale Härte) ausgewählt worden wäre. Die klagsstattgebende Entscheidung des Erstgerichts war wieder herzustellen, die Kündigung wurde erfolgreich angefochten. 

Haben Sie Interesse an einem Gespräch, in dem einzelne oder alle der hier dargelegten Entscheidungen eingehend erörtert werden? Dann melden Sie sich bitte telefonisch oder per E-Mail bei uns.

Für Rückfragen steht Ihnen das Litigation-Team von Jarolim Flitsch jederzeit gerne zur Verfügung.

Wir freuen uns über Feedback!

News