In seiner Entscheidung vom 19. Februar 2018 bestätigte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) unter Berufung auf die Rsp des EuGH sowie des VwGH das Antragsrecht anerkannter Umweltorganisationen und hob das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts (LVwG) Salzburg vom 30. März 2015, LVwG-4/1228/5-2015, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Angelegenheit des Immissionsschutzgesetzes-Luft wegen Rechtswidrigkeit auf.

Die Revisionswerberin stellte mit 8.4.2014 den Antrag auf Erlassung geeigneter Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für NO2 im Land Salzburg, brachte vor, dass die bisher im Luftreinhalteprogramm des Landeshauptmannes vom 22. September 2008 und in der Fortschreibung des Luftreinhalteprogrammes 2013 nach § 9a IG-L angekündigten Maßnahmen sowie die nach §§ 10 ff IG-L tatsächlich erlassenen Maßnahmen unzureichend seien und bezog sich dabei auf die Vorschrift zur Erlassung geeigneter Maßnahmen im Sinne der Luftqualitäts-RL 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa und des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L). Der verfahrenseinleitende Antrag ist dahingehend auszulegen, dass die Revisionswerberin damit eine gegen umweltbezogene Bestimmungen verstoßende Unterlassung der Behörden iSd Art 9 Abs 3Aarhus-Konvention (AK) geltend mache.
Altenburger/Kneihs, Schriftsätze an VwG, VfGH und VwGH (6. Auflage, 2018)

Schriftsätze an VwG, VfGH und VwGH widmet sich seit 2008 der Vermittlung der Inhalte des verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und hat sich mittlerweile bei den öffentlich rechtlichen Schriftsatzmustern als Standardliteratur etabliert. Das Werk ist soeben in 6. Auflage erschienen.

Der Fokus der einzelnen Kapitel liegt auf einer ebenso übersichtlichen wie knappen Darstellung, die dennoch sehr weite Bereiche dieser Thematik abdeckt. Anhand von Schriftsatzmustern werden die einzelnen Punkte von Schriftsätzen an die Verwaltungsgerichte, den Verfassungsgerichtshof bzw den Verwaltungsgerichtshof in chronologischer Reihenfolge abgehandelt. Der Leser kann seinen eigenen Schriftsatz daran orientierend Schritt für Schritt aufbauen. Die Autoren runden den Leitfaden durch ausgeführte Schriftsätze ab.

Die aktuelle Neuauflage berücksichtigt dabei insbesondere die seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle ergangene, umfangreiche Rechtsprechung zu den Bestimmungen des VwGVG sowie dem Verhältnis der Verwaltungsgerichte zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts.

Dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 23.10.2017 liegt eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien zu Grunde, welche am letzten Tag der Beschwerdefrist im Selbstbedienungsbereich einer Postfiliale aufgegeben wurde. Zunächst wurde entsprechend dem vorgesehenen Aufgabevorgang am Frankierautomat ein Einschreibeetikett erworben, welches auf der Sendung angebracht werden kann. Dieses Einschreibeetikett ist sodann bei der Postbox einzuscannen, um eine Aufgabeinformation zu erhalten. Der Aufgabebeleg hinsichtlich der gegenständliche Beschwerde wurde um 21:28 Uhr ausgedruckt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein an der Postbox angebrachtes Schild über die Annahmezeiten von 08:00 Uhr bis 18:30 Uhr informierte. Das Verwaltungsgericht Wien wies die Beschwerde als verspätete zurück. Gegen diese Zurückweisung wurde sodann die gegenständliche Revision an den VwGH erhoben, welche allerdings ebenfalls am letzten Tag der Frist und nach der ausgewiesenen Annahmeschlusszeit mittels Postbox aufgegeben wurde.

Mit Erkenntnis vom 17. November 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über die Beschwerde gegen einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung mit dem festgestellt wurde, dass für das Vorhaben der Errichtung eines Stallgebäudes für 1250 Mastschweine, 208 Zuchtsauen und 840 Ferkel keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Das BVwG hat die Beschwerde abgewiesen und sich ausführlich mit den relevanten rechtlichen Fragestellungen befasst.

Die Entscheidung des BVwG „Flughafen Wien Dritte Piste“ hat mit ihrer Interessenabwägung für breites Aufsehen gesorgt. Welche Rolle werden dem Projekt entgegenstehende öffentliche Interessen (wie Klimaschutz, Bodenschutz etc) in Zukunft spielen? Ist das jähe Ende vieler Großprojekte bereits eingeläutet? Oder ist ohnedies mit einer Abänderung durch die Höchstgerichte zu rechnen bzw verneinendenfalls: bedarf es einer legistischen Korrektur?


Auf dem Podium diskutierten diese und andere Fragen am 22. Mai 2017:
em. Univ. Prof. Dr. Bernhard Raschauer
RAA Dr. Florian Stangl
RA MMag. Dr. Stefan Huber, LL.M.


Trotz des zwischenzeitig aufhebenden VfGH-Erkenntnis, welches das BVwG-Erkenntnis als rechtswidrig ansah, vor allem weil das BVwG Interessen berücksichtigte, die im Rahmen der Interessenabwägung im LFG keine Deckung finden, ist das Thema nach wie vor von Relevanz. Die einmal angestoßene Diskussion wird auch in weiteren Verfahren ihre Fortsetzung finden.

Band 1 als pdf zum Herunterladen
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„Interessenabwägungen im Umweltrecht“

Veranstalter: Dr. Dieter Altenburger, MSc und Univ.Prof. Dr. Nicolas Raschauer
Wann: Montag, 22.5.2017 um 17:00 Uhr (Einlass ab 16:30)
Wo: CHSH – Dr. Karl Lueger Platz 2, Stiege 1 I Bel Etage

Die Entscheidung des BVwG „Flughafen Wien Dritte Piste“ hat mit ihrer Interessenabwägung für breites Aufsehen gesorgt. Welche Rolle werden dem Projekt entgegenstehende öffentliche Interessen (wie Klimaschutz, Bodenschutz etc) in Zukunft spielen? Ist das jähe Ende vieler Großprojekte bereits eingeläutet? Oder ist ohnedies mit einer Abänderung durch die Höchstgerichte zu rechnen bzw verneinendenfalls: bedarf es einer legistischen Korrektur?

Auf dem Podium diskutieren diese und andere Fragen:
em. Univ. Prof. Dr. Bernhard Raschauer, Of Counsel Karasek Wietzryk Rechtsanwälte GmbH
RAA Dr. Florian Stangl, Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH
RA MMag. Dr. Stefan Huber, LL.M., Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH

Moderation:
RA Dr. Dieter Altenburger, MSc, Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH

Die Teilnahme ist kostenlos!
Anmeldungen an This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it. bis spätestens 15. Mai 2016.

Die Revisionswerberin behauptete das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da im vorliegenden Fall, entgegen europarechtlichen Bestimmungen, kumulative Auswirkung einer Umfahrungsstraße mit anderen Projekten nicht ausreichend berücksichtigt worden seien und aus diesem Grund die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung verneint worden wäre.

Der VwGH führte aus, dass der Umfang des Vorhabens durch den Genehmigungsantrag des Antragstellers definiert wird. Die sachliche Abgrenzbarkeit und Verkehrswirksamkeit des Vorhabens wurde von der belangten Behörde nachvollziehbar dargelegt. Zwar sind nach der Judikatur des EuGH Wechselwirkungen mit bereits bestehenden Projekten zu berücksichtigen; solche existieren im vorliegenden Fall jedoch nicht. Auch beabsichtigte Vorhaben können nicht relevant sein, sofern noch gar kein konkretes Projekt vorliegt. Aus den dargelegten Gründen ist nach Ansicht des VwGH nicht erkennbar, weshalb die vorangegangenen Entscheidungen oder die österreichische Rechtslage nicht den europarechtlichen Vorgaben entsprechen sollten. Die außerordentliche Revision wurde daher mangels einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen (VwGH 29.11.2016, Ra 2016/06/0068).

In Zusammenhang mit der außerordentlichen Revision einer gemäß § 19 Abs 7 UVP-G anerkannten Umweltorganisation hatte der VwGH zu entscheiden, ob die Parteistellung einer solchen Organisation auf die Geltendmachung öffentlicher Interessen (Einhaltung von Umweltschutzvorschriften) beschränkt ist. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH stellte der VwGH fest, dass anerkannte Umweltorganisationen auch befugt sind, die Einhaltung solcher Umweltschutzvorschriften geltend zu machen, die nicht nur öffentliche Interessen, sondern auch die Rechtssphäre des Einzelnen schützen.

Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass die durch § 3 Abs 7a UVP-G eingeräumten Rechtsmittelbefugnisse von Umweltorganisationen im Feststellungsverfahren bei unionsrechtskonformer Auslegung dazu führen, dass diese dieselben Rechte geltend machen können wie ein Einzelner. Einer anerkannten Umweltorganisation kommt aus den genannten Gründen – im Gegensatz zu einer Formalpartei – eine unbeschränkte Revisionslegitimation zu. Es ist jedoch zu beachten, dass der im Anerkennungsbescheid ausgewiesene Zulassungsbereich den Handlungsspielraum begrenzt  (VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117).

Bereits im März 2007 beantragten die Flughafen Wien AG und das Land Niederösterreich die UVP-rechtliche Genehmigung für die Errichtung einer weiteren Start- und Landebahn bei der als UVP-Behörde zuständigen Niederösterreichischen Landesregierung. Das gegenständliche Vorhaben beinhaltet sowohl die Parallelpiste 11R/29L als auch die dadurch unumgängliche Verlegung der Landesstraße B 10. Die Niederösterreichische Landesregierung hat über den Antrag der Projektwerber positiv entschieden und die Genehmigung zur Umsetzung des Vorhabens unter zahlreichen Auflagen erteilt.

Im Beschwerdeverfahren hatte sich zunächst der damals zuständige Umweltsenat und in weiterer Folge das Bundesverwaltungsgericht mit dem Projekt zu befassen. Letzteres hat am 9. Februar 2017 in einem beispiellosen Erkenntnis den Genehmigungsantrag abgewiesen und somit die Umsetzung des Vorhabens untersagt.

Vorausgegangen sind dieser Entscheidung die Einholung umfassender Sachverständigengutachten und eine weitreichende Interessensabwägung hinsichtlich der berührten öffentlichen Interessen. Letztlich gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Einschätzung, dass in Zusammenhang mit dem konkreten Vorhaben das öffentliche Interesse am Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels, insbesondere durch die hohe CO2-Belastung, höher zu bewerten sei als die positiven öffentlichen Interessen. Bemerkenswert ist in diesem Kontext der Verweis auf die in Bundes- und Landesverfassung sowie in Art 37 GRC statuierte große Bedeutung des Umweltschutzes, insbesondere hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung. Die von den Projektwerbern vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen wurden als nicht ausreichend bewertet (BVwG 02.02.2017, W109 2000179-1/291E).

Diese Entscheidung ist nicht nur aufgrund der außerordentlichen Bedeutung des gegenständlichen Vorhabens und des enormen getätigten Aufwands beachtenswert. Erstmals hat das Bundesverwaltungsgericht ein UVP-pflichtiges Projekt mit Verweis auf  das öffentliche Interesse am Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels untersagt. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt, jedoch haben die Projektwerber bereits die Erhebung von Rechtsmitteln angekündigt.

Siehe weiters auch:

Dem beim EuGH anhängigen Verfahren liegen die Auswirkungen einer im Jahr 1998 genehmigten Wasserkraftanlage an der Mürz zugrunde, welche seit 2002 in Betrieb ist. Ein Fischereiberechtigter hat Beschwerde erhoben, da durch den Betrieb der Anlage  wiederholt kurzfristig erhebliche Pegelschwankungen auftreten in deren Folge Kleinfische und juvenile Fische verenden würden. Die Beschwerde wurde jedoch von der Behörde mit der Begründung abgewiesen, dass der Betrieb des Kraftwerks – und somit auch dessen Auswirkungen – durch eine Bewilligung gedeckt seien.

In diesem Zusammenhang hat der im Wege des Instanzenzuges zuständige VwGH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt, das sich im Wesentlichen mit der Auslegung der Umwelthaftungsrichtlinie (RL 2004/35/EG) befasst. Der Generalanwalt Michal Bobek hat in den am 10. Jänner 2017 erstatteten Schlussanträgen beachtenswerte Aussagen getroffen.

  • Zum zeitlichen Anwendungsbereich der RL 2004/35/EG hat der Generalanwalt ausgeführt, dass dieser selbst dann erfüllt ist, wenn die Bewilligung und Inbetriebnahme der Anlage vor dem in Art 19 Abs 1 leg cit genannten Stichtag für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht (30.4.2007) erfolgt ist. Lediglich die zur ökologischen Schädigung führenden Vorgänge bzw Ereignisse, müssen auch nach diesem Datum stattfinden.
  • Weiters stehen nationale Bestimmungen, die durch bewilligte Anlagen oder Handlungen verursachte Beeinträchtigungen generell vom Begriff des Umweltschadens ausnehmen, der RL 2004/35/EG entgegen.
  • Darüber hinaus sind nationale Gerichte im Rahmen der Feststellung eines Umweltschadens nicht verpflichtet die Kriterien der Wasserrahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) heranzuziehen.
  • Nationale Vorschriften welche Fischereiberechtigten das Recht auf Durchführung eines Prüfungsverfahrens gemäß Art 13 RL 2004/35/EG bezüglich eines Umweltschadens gemäß Art 2 Z 1 lit b leg cit verwehren, stehen in Widerspruch zu Art 12 Abs 1 lit a und Art 13 leg cit.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Gerichtshof den Schlussanträgen im vorliegenden Fall folgen wird.