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Erstattung der Vermittlungsgebühr bei Flugannullierung? EuGH-Generalanwalt präzisiert die Voraussetzungen

Mag. Thomas Ukowitz

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Luftfahrtunternehmen nach Art 8 Abs 1 lit a VO (EG) 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) verpflichtet, dem Fluggast aufgrund der Annullierung des Fluges auch die Provision zu erstatten, die beim Kauf des Flugscheins an einen als Vermittler handelnden Dritten gezahlt wurde? Mit dieser Frage setzte sich Generalanwalt Norkus in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C‑45/24 vom 19.06.2025 infolge eines Vorabentscheidungsersuchens des OGH auseinander.

Zunächst verweist GA Norkus auf das Urteil Harms des EuGH, in dem die Verpflichtung des Luftfahrtunternehmens zur Erstattung dieser Art von Provision grundsätzlich anerkannt, diese Rechtsfolge jedoch davon abhängig gemacht wurde, dass die Provision vom Luftfahrtunternehmen genehmigt worden sein muss und nicht ohne sein Wissen festgelegt worden sein darf (subjektives Element). GA Norkus präzisiert das Urteil Harms sodann dahingehend, dass es in Bezug auf das „Wissen“ ausreiche, dass dem Luftfahrtunternehmen die Rolle des Vermittlers bekannt ist und dass es seine Tätigkeiten gegen Provision billigt, ohne dass es aber deren genaue Höhe im konkreten Fall kennen muss.

Die Beweislast für das nötige Wissen des Luftfahrtunternehmens von der Vermittlungsprovision liege dabei nach Ansicht des GA Norkus grundsätzlich beim Luftfahrtunternehmen. Die dahingehenden Anforderungen an das Luftfahrtunternehmen sollen jedoch vor dem Hintergrund, dass diese Beweislastverteilung von ihm verlangen würde, eine „negative Tatsache“ nachzuweisen – was praktisch unmöglich ist – nicht zu streng sein. Das Luftfahrtunternehmen komme seiner Beweislast insofern bereits dadurch nach, dass es unter Darstellung aller relevanten Begleitumstände plausibel darlegt, dass ihm das nötige Wissen von der Erhebung von Provisionen durch den Vermittler bei der Ausübung seiner Tätigkeit fehlte und dass es diese nicht gebilligt hat. Gelingt dies, wäre es – so GA Norkus weiter – sodann die Aufgabe des Fluggasts, Gegenteiliges substantiiert darzulegen.

Zusammengefasst ist es nach Ansicht des GA Norkus nicht notwendig, dass das Luftfahrtunternehmen die genaue Höhe der Provision kennen muss, damit der Anspruch eines Fluggastes auf Erstattung der Provision bejaht werden kann. Die dahingehende Beweislast trifft grundsätzlich das Luftfahrtunternehmen, wobei die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen. Die von GA Norkus vorgeschlagene Auslegung der Fluggastrechteverordnung schafft meines Erachtens einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Fluggäste und denjenigen der Luftfahrtunternehmen. Abzuwarten bleibt, ob der EuGH den Vorschlägen folgen wird.

EuGH C-45/24, ECLI:EU:C:2025:468

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