Mag.a Domnica Zamfirescu
Am 6. März 2025 hat der EuGH in der Rechtssache Waltham Abbey Residents Association / An Bord Pleanála, C-41/24, eine Verschärfung der Anforderungen im Screening (im österreichischen Recht: Einzelfallprüfung) vorgenommen. Streitpunkt war, wie weit die Ermittlungspflicht der irischen Behörde im „Screening“ geht: Obwohl eine Anwohnervereinigung mit Parteistellung im Verfahren (im österreichischen Recht: eine Bürgerinitiative) betreffend ein Wohnbauprojekt für die Errichtung von 123 Wohnungen auf streng geschützte Fledermausarten und deren Wanderkorridore entlang des betroffenen Flusses Lee hingewiesen hatte, verzichtete die Behörde auf weitere Ermittlungen. Den Projektunterlagen fehlten nähere Angaben zu den Auswirkungen des Projekts auf Fledermäuse.
Zentrale Aussagen des EuGH:
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Berücksichtigungspflicht: Die zuständige Behörde hat im Rahmen des Screening-Verfahrens, mit dem die Erforderlichkeit einer UVP ermittelt werden soll, alle relevanten Informationen zu berücksichtigen, die ihr vorliegen, einschließlich der Informationen, die ihr unaufgefordert von einem Dritten übermittelt wurden, wenn sie objektive Umstände enthalten, die es der Behörde ermöglichen, abzuschätzen, ob die Gefahr besteht, dass das Projekt „erhebliche“ Auswirkungen auf die Umwelt hat (Rn 42, 49). Die entsprechende Stellungnahme des Dritten muss tatsächlich geeignet sein, der Schlussfolgerung entgegenzustehen, dass jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel hinsichtlich möglicher erheblicher Auswirkungen dieses Projekts auf die Umwelt ausgeschlossen ist (Rn 49).
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Nachforderungspflicht: Wenn erhebliche Auswirkungen des betreffenden Projekts auf die Umwelt nicht ausgeschlossen werden können, muss die zuständige Behörde dem Projektträger die Möglichkeit einräumen, ihr zusätzliche Informationen zu übermitteln, bevor sie entscheidet, ob dieses Projekt einer UVP zu unterziehen ist (Rn 43).
Kann hingegen trotz der von diesem Dritten an die zuständige Behörde übermittelten Stellungnahme auf der Grundlage objektiver Umstände ausgeschlossen werden, dass das Projekt möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hat, kann die zuständige Behörde entscheiden, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, ohne den Projektträger um zusätzliche Informationen ersuchen zu müssen.
Die Bedeutung für das österreichische Recht:
Im österreichischen Recht ist das Screening auch unter Einzelfallprüfung (im Folgenden EFP) bekannt. Die EFP ist sowohl für Neuvorhaben (Vorhaben des Anhangs 1 Spalte 3, Kumulation) als auch Änderungsvorhaben (mit Ausnahme von Änderungen bei Kapazitätsausweitungen um 100% des Schwellenwertes) durchzuführen.
Auch in Feststellungsverfahren ist eine EFP durchzuführen, es sei denn, allein die Schwellenwerte sind entscheidend. Dabei stehen der Behörde lediglich sechs Wochen (bzw acht Wochen im 3. Abschnitt) zur Verfügung, da nur Behörde und Verfahrensart verbindlich festgelegt werden sollen und keine UVP durchgeführt wird. Die EFP hat daher den Charakter einer Grobprüfung. Dies entbindet freilich nicht von der Pflicht zu Ermittlungen (vgl VwGH 8.10.2020, Ra 2018/07/0447 Rz 61). Müssen mehrere Sachverständigengutachten eingeholt werden, ist allerdings die Einhaltung der Frist realistisch kaum möglich (vgl BVwG 23.2.2018, W118 2182922‑1).
Eine UVP-Pflicht wird dann bejaht, wenn gem § 3 Abs 2 UVP-G 2000 „mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen zu rechnen ist“ – es genügt nicht die bloße Möglichkeit. Daran hat sich nichts geändert. Neu ist jedoch die verstärkte Nachforderungspflicht der Behörde: Liefert eine Partei substantiierte Hinweise auf erhebliche Auswirkungen, muss die Behörde zusätzliche Informationen vom Projektwerber einholen, bevor sie negativ entscheidet. Damit wird indes faktisch die Einhaltung der sechs- bzw acht-Wochen-Frist erschwert, können erhebliche SV-Kosten entstehen und erhöht sich das Risiko von Rechtsunsicherheit und Missbrauch (zB taktische Stellungnahmen). Es bleibt die Hoffnung, dass die Entscheidung des EuGH die Qualität der Verfahren stärkt, ohne die negativen Effekte wie Zeitverzug oder Kostensteigerungen auszulösen.