Mag. Georg Schwarzmann
Seit Jahren wird um eine Neufassung der aus dem Jahr 2004 stammenden Fluggastrechteverordnung (VO (EG) 261/2004) gerungen. Gescheitert sind diese Bestrebungen bislang an den widerstreitenden Interessen von Konsumentenschutz und Luftfahrtlobby. Dabei ist unumstritten, dass punktuelle Anpassungen und Klarstellungen – schon allein aufgrund der Judikatur des EuGH – sachlich geboten sind.
Unter der polnischen Ratspräsidentschaft wurde daher ein neuer Anlauf gestartet. Die Anfang Juni erzielte Einigung im Rat der Europäischen Union durch die Verkehrsminister der Mitgliedstaaten kann trotz oder gerade aufgrund der Kompromisslösung als Durchbruch bezeichnet werden. Nunmehr ist jedoch das Europäische Parlament am Zug, das Einschränkungen des Konsumentenschutzes tendenziell kritisch gegenübersteht.
Um die Reichweite des gegenständlichen Entwurfs überblicken zu können, ist zunächst die in Geltung stehende VO (EG) 261/2004 zu erörtern. Fluggäste haben demnach einen Anspruch auf Ausgleichsleistung, wenn sie den Zielflughafen mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden erreichen. Die Höhe der pauschalen Entschädigung ist nach Flugdistanz gestaffelt und beträgt 250, 400 oder 600 Euro. Kein Anspruch auf Ausgleichsleistung besteht, wenn dem Luftfahrtunternehmen der Nachweis gelingt, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die von ihm nicht kontrolliert werden konnten. Zudem kommt diese Ausnahmebestimmung nur dann zur Anwendung, wenn die Airline alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Verspätungsdauer zu minimieren. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass die Rechtsprechung zunehmend unverhältnismäßig strenge Anforderungen an die zur Haftungsbefreiung führenden außergewöhnlichen Umstände sowie deren Nachweis stellt.
Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass Fluggästen erst ab einer Verspätung von vier Stunden ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zukommt. Zudem sollen die Entschädigungsbeträge – ungeachtet der seit dem Jahr 2004 zu verzeichnenden Inflation – auf 300 und 500 Euro reduziert werden. Weiters sind hinsichtlich der außergewöhnlichen Umstände aus Airline-Perspektive Erleichterung vorgesehen, sodass zukünftig womöglich auch technische Probleme, Erkrankungen der Crew und Streiks des eigenen Personals zu einer Haftungsbefreiung führen können.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Anhebung der zu einer Ausgleichsleistung führenden Verspätungsdauer sowie die Reduktion des Entschädigungsbetrags eine Schlechterstellung der Fluggäste zur Konsequenz haben. Eine weitere Aufweichung des Konsumentenschutzes erfolgt durch die Anpassungen im Bereich der außergewöhnlichen Umstände, wobei Unsicherheiten und Ineffizienzen hinsichtlich der Rechtsanwendung nach unserer Einschätzung nicht beseitigt werden.