Mag. Thomas Ukowitz
Am Areal des Nordwestbahnhofs, einem seit 2006 stillgelegten Frachtenbahnhof, ist die Errichtung eines neuen Stadtviertels vorgesehen. Die Planungen für das gegenständliche Vorhaben reichen bis ins Jahr 2005 zurück. Die Wiener Landesregierung erteilte Ende 2022 die Genehmigung für das Städtebauvorhaben. Diese wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Jänner 2024 im Wesentlichen bestätigt. Gegen das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis wurde eine außerordentliche Revision erhoben. Das letzte Wort sprach nun der VwGH mit seinem Beschluss vom 09.07.2024.
Die Revision monierte insbesondere die „Willkür“ bei der Wahl der „Nullvariante. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes legt die „Nullvariante“ das Unterbleiben des Vorhabens dar. Im gegenständlichen Verfahren war strittig, ob die „Nullvariante“ vom Status quo, also einem brach liegenden ehemaligen Verschubbahnhof ohne laufende Nutzung oder vom letzten vollen Betriebsjahr bzw einer Wiederinbetriebnahme des Frachtenbahnhofs in Vollkapazität ausgehen muss. Die Wahl des Nullplanfalls ist insofern entscheidend, als dieser die Basis für die Auswirkungsberechnungen bildet.
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass für den Fall, dass das gegenständliche Städtebauvorhaben nicht realisiert werden könne, die Wiederinbetriebnahme des Frachtenbahnhofs absehbar sei. Die Projektwerberin verfüge über eine aufrechte Genehmigung für den Betrieb eines Güterumschlags; im Fall einer Nichtrealisierbarkeit des Vorhabens würde und müsste sie nach Maßgabe der Bewilligungssituation (aufrechte eisenbahnrechtliche Genehmigung) reagieren. Als absehbare Entwicklung komme diesfalls nur der Weiterbetrieb der Eisenbahn in Frage.
Rechtlich führte das Verwaltungsgericht hierzu aus, wenn – wie im gegenständlichen Fall – konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass es in absehbarer Zeit zu einer Änderung des Sachverhalts kommen werde und die Behörde in der Lage sei, sich über die Auswirkungen dieser Änderung ein hinlängliches Bild zu machen, sei auf absehbare Entwicklungen bei der Entscheidung über die Genehmigung des Vorhabens Bedacht zu nehmen. Daher sei im gegenständlichen Fall nicht das letzte volle Betriebsjahr des Frachtenbahnhofs (2006) als Nullplanfall zu Grunde zu legen, sondern ein (Basis-)Szenario, welches das Kriterium für eine absehbare zukünftige Entwicklung erfüllt.
Den Auswirkungsberechnungen wurde daher als Nullvariante die volle Wiederinbetriebnahme des Bahnhofs in der Zukunft zu Grunde gelegt. Der Forderung der Beschwerdeführer, von den tatsächlich bestehenden Immissionswerten auszugehen, erteilte das BVwG eine Absage. Im Rahmen der außerordentlichen Revision ist es den Vorhabensgegnern nicht gelungen, in Form einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, dass die Wahl des Nullplanfalls rechtswidrig erfolgt ist. Der VwGH wies die Revision daher als unzulässig zurück und bestätigte die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts.
BVwG 30.01.2024, W104 2265480-1, „Städtebauvorhaben Nordwestbahnhof“; VwGH 09.07.2024, Ra 2024/05/0029