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Jüngste Entwicklungen im Fluggastrecht – der EuGH zum Ausgleichsanspruch in Folge Flugverspätung

Mag. Thomas Ukowitz 

Mit einer der jüngsten fluggastrechtlichen Entscheidungen schiebt der EuGH einer allzu passagierfreundlichen Auslegung der Verordnung (EG) Nr 261/2004 (EU-Fluggastrechteverordnung) einen Riegel vor und trifft wegweisende Klarstellungen zum Ausgleichsanspruch in Folge einer Flugverspätung.

Die Entscheidung fußt darauf, dass ein Fluggast vom ausführenden Luftfahrtunternehmen darüber informiert wurde, dass sein Flug erheblich verspätet sein wird. Aufgrund dessen befürchtete der Fluggast, einen Geschäftstermin zu verpassen. Der Fluggast buchte daraufhin selbst einen Ersatzflug, um den Termin wahrzunehmen. Dank dieses Ersatzflugs erreichte er sein Ziel schließlich mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden. 

Ausgehend davon wandte sich der deutsche Bundesgerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens mit der Frage an den EuGH, ob Fluggästen in derartigen Konstellationen ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusteht.

Der Gerichtshof stellte zunächst klar, dass Fluggäste nicht nur bei Annullierung eines Fluges, sondern auch dann, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch geltend machen können. Dies vor dem Hintergrund, dass die Fluggäste in beiden Fällen einen Schaden erleiden, der in einem irreversiblen Zeitverlust besteht und der nur durch eine Ausgleichszahlung ersetzt werden kann.

Einen solchen irreversiblen Zeitverlust erleidet ein Fluggast, so der EuGH folgernd, jedoch dann nicht, wenn er Dank eines von ihm selbst gebuchten Ersatzflugs das Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden gegenüber der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht hat. 

Der Gerichtshof erkennt dabei zwar, dass eine selbständige Vornahme der Ersatzbuchung einem Fluggast durchaus Unannehmlichkeiten verursacht. Die EU-Fluggastrechteverordnung zielt aber gerade nur darauf ab, „großen Unannehmlichkeiten“ der Fluggäste bei einer Beförderung im Luftverkehr abzuhelfen. Wenn der Fluggast sein Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreicht, können die Unannehmlichkeiten nicht als „groß“ im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung angesehen werden.

Letztendlich kommt der Gerichtshof daher zu dem Schluss, dass ein Fluggast, der wegen drohender großer Verspätung des Fluges selbst einen Ersatzflug gebucht hat und das Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit des Fluges erreicht hat, keinen Ausgleichsanspruch haben kann.

EuGH C-54/23, Laudamotion GmbH, Ryanair DAC, ECLI:EU:C:2024:74

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