Mag. Thomas Ukowitz
Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) enthalten auch die Naturschutzgesetze der Länder Verbote, geschützte Tiere zu fangen. Die Reichweite des Begriffs „Fangen“ wurde bereits mehrfach in der Rechtsprechung behandelt; jüngst hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dieser Frage auseinandergesetzt.
Das BVwG stellte – unter Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung – klar, dass der fachgerechte Fang geschützter Tiere mit unverzüglicher Umsiedelung auf geeignete Zielflächen nicht als „Fangen“ im Sinne der FFH-RL zu qualifizieren ist. Ein bloß kurzfristiges Fangen verstößt somit nicht gegen den Verbotstatbestand. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die „unverzügliche“ Umsiedelung verdeutlicht jedoch, dass hinsichtlich der zulässigen Dauer des Gefangenhaltens ein strenger zeitlicher Maßstab anzulegen ist.
Es überrascht daher nicht, dass die im vorliegenden Fall zur Vermeidung des Verstoßes gegen das Tötungsverbot geplante Maßnahme – nämlich Raupen des Gelbringfalters abzusammeln, mehrere Monate bis zum Verpuppungsstadium in Terrarien zu halten und erst anschließend im Puppenstadium in Ersatzlebensräume auszubringen – gegen das Fangverbot verstößt. Nach Ansicht des BVwG ist der Verbotstatbestand in einem solchen Fall erfüllt, und es bedarf einer Ausnahmebewilligung. Dies gilt auch dann, wenn das Fangen lediglich dazu dient, im Rahmen einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme (CEF-Maßnahme) die Tötung von Tieren zu vermeiden.
Zur Frage, ob es für den Fang auch dann einer Ausnahmebewilligung bedarf, wenn diese Maßnahme im Rahmen eines CEF-Konzeptes vorgesehen ist und dazu dient, zu verhindern, dass ansonsten gegen das Tötungsverbot verstoßen wird bzw ob diese Maßnahme überhaupt als „Fangen“ zu qualifizieren ist, hat das BVwG allerdings mangels einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) die Revision zugelassen.
Erfreulich ist, dass das BVwG seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und somit weiterhin Raum für das kurzfristige Fangen und Umsiedeln geschützter Tiere lässt. Mit Blick auf das längerfristige Fangen bleibt abzuwarten, ob die angesprochenen Rechtsfragen an den VwGH herangetragen werden. Eine höchstgerichtliche Klarstellung wäre, nicht zuletzt wegen der großen Bedeutung von CEF-Maßnahmen in der Praxis, wünschenswert.
BVwG 15.11.2024, W102 2278877-1, Erweiterung Kiesabbau Stadl-Paura UVP II