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Verordnungsprüfung im Verwaltungsweg

Dr. Dieter Altenburger
Mag. Domnica Zamfirescu

Der VwGH hat am 13. Juni 2023, Ra 2021/10/0162, 0163 erkannt, dass ein Antrag der Umweltorganisationen auf Verordnungsprüfung bei der erlassenden Behörde von dieser inhaltlich zu prüfen ist. Die Causa, die Gegenstand des Erkenntnisses war, betraf die von der NÖ Landesregierung erlassene Fischotter-Verordnung, welche unter gewissen Umständen das Fangen und Töten von Fischottern – eine nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) geschützte Tierart – erlaubte. Zwei anerkannte Umweltorganisationen beantragten bei der NÖ Landesregierung die Überprüfung und Aufhebung dieser Verordnung. Die NÖ Landesregierung wies den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung zurück, der VfGH habe ein ausschließliches Verordnungsprüfungsmonopol. Das LVwG bestätigte diese Entscheidung.
Der VwGH kam zu einem gegenteiligen Ergebnis. Erstens stelle die NÖ Fischotter-Verordnung eine Umsetzung des Unionsumweltrechtes dar. Anerkannten Umweltorganisationen stünde ein Recht auf Teilnahme am behördlichen Verfahren zu, soweit der Schutz von Normen des Unionsumweltrechtes betroffen wäre. Gestützt auf diese Judikatur, habe der VwGH anerkannten Umweltorganisationen bereits ein Antragsrecht auf Verordnungserlassung zum Zweck von umweltbezogenen Normen des Unionsrechts zugesprochen (VwGH vom 19.02.2018, Ra 2015/07/0074). Zweitens erkenne der VfGH in seiner bisherigen Rechtsprechung Umweltorganisationen keine Parteistellung im Verfahren nach Art 139 B-VG und damit keine Antragslegitimation zu (VfGH vom 14.12.2016, V134/2015 sowie V 87/2014). Der VwGH sah sich aufgrund der Rsp des VfGH in der Folge gezwungen, anerkannten Umweltorganisationen ein Recht auf Einleitung eines V-Prüfungsverfahrens bei der verordnungserlassenden Behörde zuzusprechen. Solange der VfGH den Umweltorganisationen im Verfahren nach Art 139 B-VG kein Antragsrecht zugesteht, müssen aufgrund unionsumweltrechtlicher Vorgaben V-Prüfungen im Verwaltungsweg eingeleitet werden können.

 

 

Das vom VwGH zugestandene Recht der anerkannten Umweltorganisationen auf Einleitung eines V-Prüfungsverfahrens bei der erlassenden Behörde steht jedenfalls im Einklang mit der Zuständigkeit zur Aufhebung und der allgemeinen Pflicht zur „Reparatur“ rechtswidrigen Staatshandelns (siehe auch § 20 Abs 6 NÖ NSchG 2000).
Stellt die Behörde mit einem Rechtsakt fest, dass die V nicht aufzuheben sei, so liegt uE ein individuell an sie gerichteter Bescheid vor. Gesteht man den anerkannten Umweltorganisationen ein Recht auf Einleitung eines V-Prüfungsverfahrens zu, so hat uE auch ein Anspruch auf Erledigung in Bescheidform – im Falle einer Abweisung – einherzugehen. Die von der Aarhus-Konvention geforderte Beteiligung samt Zugang zu Gerichten der betroffenen Öffentlichkeit einerseits und der durch die GRC gebotene effektive Rechtschutz müssen uE dazu führen, dass die Entscheidung der Behörde, die V inhaltlich unangetastet zu lassen, bekämpfbar ist (Effektivitätsgrundsatz). Der Instanzenzug führt uE sohin zum zuständigen VwG sowie zum VwGH. VwG und VwGH könnten in diesem Zusammenhang einen Antrag auf V-Prüfung an den VfGH gem Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG stellen. Eine inhaltliche Überprüfung der Verordnung bliebt ihnen verwehrt.
Es wäre denkbar, dass der VfGH in Abkehr zu seiner bisherigen Rechtsprechung seine Rechtsansicht mit jener des VwGH harmonisiert und den anerkannten Umweltorganisationen ein Anfechtungsrecht nach Art 139 Abs 1 Z 3 B-VG zuerkennt. Zunächst wird aber uE ein V-Prüfungsverfahren bei der Behörde einzuleiten sein. Der Umweg auf behördliche Verordnungsprüfung ist aufgrund des besprochenen Erkenntnisses des VwGH nunmehr möglich und auch zumutbar. Behält der VfGH seine bisherige Rechtsansicht, dann bleibt den anerkannten Umweltorganisationen die Möglichkeit ein behördliches V-Prüfungsverfahren einzuleiten.
Zu detaillierteren rechtlichen Ausführungen hinsichtlich des Fischotter-Erkenntnisses, siehe den Blogbeitrag von Jarolim Partner.
Das LVwG OÖ wies ungefähr zwei Monate später, am 28. August 2023, LVwG-552719/5/KLe, eine Beschwerde einer anerkannten Umweltorganisation gegen die von der OÖ LReg erlassenen Oö Wolfsmanagementverordnung zurück. Das LVwG OÖ leitete die Beschwerde außerdem gem § 6 AVG an den VfGH. Dieser Fall unterscheidet sich vom Fischotter-Erkenntnis insofern, als dass die anerkannte Umweltorganisation direkt beim OÖ LVwG Beschwerde gegen eine Verordnung erhoben hat, ohne zuvor eine behördliche Entscheidung der OÖ LReg zu erwirken. Eine direkte Anfechtung einer V direkt beim LVwG kann aber uE aus dem VwGH-Erkenntnis, wie oben ausgeführt, nicht abgeleitet werden, sodass dem LVwG-E insofern zuzustimmen ist.

VwGH vom 13. Juni 2023, Ra 2021/10/0162, 0163
LVwG Oö vom 8. August 2023, LVwG-552719/5/KLe

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