Rodungsvorhaben Kalkstein- und Mergelbruch Klein St. Paul – Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts

Im gegenständlichen Erkenntnis befasst sich das BVwG unter anderem mit dem Umfang des Vorhabensbegriffs im Sinne des UVP-G in Abgrenzung zum Antragsgegenstand und mit der Frage der Bindungswirkung des Feststellungsbescheides nach dem UVP-G.

 

Die Projektwerberin beantragte bei der Kärntner Landesregierung die Erteilung einer Genehmigung nach UVP-G 2000 für das „Rodungsvorhaben Kalk- und Mergelsteinbruch Klein St. Paul“. Die Besonderheit des Falls: die mineralrohstoffrechtliche Bewilligung für den Abbau lag zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vor.

Die Beschwerdeführer brachten unter anderem wenig überraschend vor, dass nicht nur die Rodung, sondern auch die Abbautätigkeit Teil des Vorhabens sei und der UVP zu unterziehen sei.

Zum Umfang des Begriffes "Vorhaben" im Sinne des § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 und zur Abgrenzung des Antragsgegenstands:

Die Entscheidung des BVwG bezieht sich auf die Auslegung des Begriffs "Vorhaben" iSd § 2 Abs 2 UVP-G 2000. Dazu werden unterschiedliche Auffassungen im Schrifttum und in der Judikatur diskutiert.

Nach Schmelz/Schwarzer ist der Begriff "Vorhaben" so zu verstehen, dass bereits rechtskräftig genehmigte Anlagen oder bereits durchgeführte Eingriffe in Natur oder Landschaft nicht darunter zu subsumieren sind (Schmelz/Schwarzer, UVP-G, § 2, Rz 28). Die Beschreibung des Vorhabens im Genehmigungsantrag bestimmt die äußersten Grenzen des Vorhabens und des Verfahrensgegenstandes (Schmelz/Schwarzer, a.a.O., Rz 36). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass nach Schmelz/Schwarzer seit der UVP-G-Novelle 2000 die erforderlichen Genehmigungen - also insbesondere jene nach den mitanzuwendenden Verwaltungsvorschriften - nicht mehr im Antrag anzuführen sind (Schmelz/Schwarzer, a.a.O., § 5, Rn. 15, § 17, Rz 67).

Nach Altenburger sind "faktische" Eingriffe, die rechtswidrigerweise vor Durchführung einer UVP trotz bestehender entsprechender Pflicht gesetzt worden sind und denen die Genehmigung fehlt oder die bereits materienrechtlich genehmigt wurden (wobei diese Genehmigung mit Nichtigkeit nach § 3 Abs 6 bedroht ist), sehr wohl „UVP-relevant“ und „in den Vorhabensbegriff einzubeziehen“ (Altenburger in Altenburger (Hrsg), Kommentar zum Umweltrecht², § 2 UVP-G Rz 18). Allerdings richtet sich der Antragsgegenstand für Altenburger nicht nach der Beschreibung des Vorhabens, sondern nach der Einreichung des Projektwerbers. Die Behörde könne nicht mehr genehmigen als beantragt wurde. Der Projektwerber habe klarzustellen, ob er eine umfassende Genehmigung nach dem UVP-G 2000 samt allen (nicht taxativ aufgezählten) Materiengesetzen beantrage oder er sich die Auswahl jener Materiengesetze, die er mitangewendet wissen will, vorbehalte (Altenburger in Altenburger (Hrsg), a.a.O., § 5 UVP-G Rz 6).

Das BVwG zieht aus den bisherigen Auslegungen den Schluss, dass der Begriff des Vorhabens weit auszulegen ist und bereits rechtskräftig genehmigte Tätigkeiten dem Vorhaben zuzurechnen sind. Damit schließt sich das BVwG grundsätzlich der Auffassung Altenburgers an, auch wenn dieser vor allem auf die Möglichkeit der Nichtigerklärung hinweist.

Für die Zurechnung zum Vorhabensbegriff spielt es nach Ansicht des Gerichts keine Rolle, ob noch weitere Genehmigungen erforderlich sind oder bereits vorliegen.

Andererseits teilt das BVwG teilweise auch die Meinung  von Schmelz/Schwarzer, dass die mineralrohstoffrechtliche Genehmigungsbestimmungen nicht (mit-)anzuwenden waren, da die Abbautätigkeit bereits rechtskräftig genehmigt war.

Zusätzlich stellt das BVwG fest, dass es für den Projektwerber keine Notwendigkeit gibt, im Genehmigungsantrag alle materiellen Genehmigungsbestimmungen auf Bundes- und Landesebene anzugeben. Stattdessen ist lediglich ein einheitlicher Genehmigungsantrag vorgesehen. Eine Gliederung könnte sogar unzweckmäßig sein, da dies zu einer wiederholten Beschreibung derselben Vorhabenselemente unter verschiedenen materiellen Vorschriften führen könnte, was die Verständlichkeit und die integrierte fachliche Beurteilung erschweren würde.

Zur Bindungswirkung des Feststellungsbescheides iSd § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 führt das BVwG aus, dass Gegenstand des Feststellungsverfahrens und von der Bindungswirkung erfasst nur die Frage ist, ob für ein Vorhaben eine UVP durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Nicht Gegenstand dieses Verfahrens (bzw. jedenfalls nicht von der Bindungswirkung erfasst) ist, was von der Konzentrationswirkung des § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 erfasst ist und welche Vorschriften im Rahmen der UVP mitanzuwenden sind. Für die Beurteilung der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ist maßgeblich, ob das zu beurteilende Vorhaben mit dem im Feststellungsverfahren gegenständlichen Vorhaben in den für die Beurteilung der UVP-Pflicht relevanten Punkten identisch ist.

Erkenntnis vom 11.03.2024, W270 2258896-1/141E

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