Der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos legte die Richtlinie 2007/46/EG dahingehend aus, dass sie erstens auch die Interessen des individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeuges schütze. Insbesondere schütze die Rahmenrichtlinie den Erwerber davor, ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gem Art 5 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 715/2007 zu erwerben. Zweitens sind Mitgliedstaaten verpflichtet einen Ersatzanspruch des Erwerbers eines Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller vorzusehen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.

Der EuGH legte am 2.6.2022 die Verordnung 550/2004 über die Erbringung von Flugsicherungsdiensten im einheitlichen europäischen Luftraum („Flugsicherungsdienste-Verordnung“), insbesondere Art 8 der Verordnung, dahingehend aus, dass er Luftraumnutzern, wie zum Beispiel Luftfahrtunternehmen, ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor den nationalen Gerichten gegen den Dienstleister für Flugverkehrsdienste verleiht, um behauptete Verstöße gerichtlich überprüfen zu lassen.

Im Wege der Vorabentscheidung wurde der EuGH zur Auslegung von Art 17 Abs 1 und Art 20 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr („Übereinkommen von Montreal“) vom Landesgericht Korneuburg angerufen. Das Übereinkommen ist seit dem 28. Juni 2004 ein integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung, der EuGH ist für die Auslegung zuständig (C-258/16).

Der letzten fluggastrechtlichen EuGH-Entscheidung des Jahres 2021 liegt die Buchung eines Fluges von Palma de Mallorca nach Wien über eine elektronische Buchungsplattform zu Grunde. Anlass des Rechtsstreits vor dem Bezirksgerichts Schwechat und dem Landesgericht Korneuburg war die Vorverlegung des Fluges um etwas mehr als sechs Stunden. Das Luftfahrtunternehmen verfügte über keine Kontaktdaten der Passagiere und unterrichtete den Reisevermittler rund drei Wochen vor dem Abflugdatum über die Vorverlegung. Diese Information wurde jedoch seitens der Buchungsplattform erst vier Tage vor dem planmäßigen Abflug an die Fluggäste weitergegeben.

Einen bemerkenswerten Erfolg konnte unser Aviation-Team in einem fluggastrechtlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht Schwechat erzielen. Diesem lag die Verspätung eines Fluges von London nach Charlotte (USA) zugrunde, die dadurch bedingt war, dass auf dem Vorflug von Charlotte nach London infolge des Blasensprungs einer schwangeren Passagierin eine außerplanmäßige Landung in New York durchgeführt wurde. Die vollumfängliche Abweisung des Klagebegehrens ist insbesondere deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Qualifikation medizinischer Notfälle als außergewöhnliche Umstände im Sinne der Verordnung (EG) 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) von österreichischen Gerichten bislang nicht einheitlich judiziert wurde und das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall einige verallgemeinerungsfähige Aussagen getroffen hat.

Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Landesgerichts Korneuburg hat sich der Europäische Gerichtshof mit zwei brisanten Auslegungsfragen auseinanderzusetzen. Bereits die am 6. Oktober veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe bieten reichlich Zündstoff und werden von Experten im Bereich des Fluggastrechts kontroversiell diskutiert.

Bereits im Urteil zur Rechtssache Krüsemann (siehe Blogbeitrag) hat sich der EuGH mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein zu Annullierungen oder sonstigen Unregelmäßigkeiten im Luftverkehr führender Streik als außergewöhnlicher Umstand gemäß der VO (EG) 261/2004 zu qualifizieren ist und Luftfahrtunternehmen folglich von der Verpflichtung zur Ausgleichsleistung befreit. Die äußerst kasuistische Entscheidung warf jedoch mehr Fragen auf als sie beantwortete, weshalb es nicht überrascht, dass sich der Gerichtshof nun abermals mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu befassen hatte. Vorab sei festgehalten, dass das aktuelle Urteil – wenn auch im Ergebnis fragwürdig – über den konkreten Einzelfall hinaus Klarheit schafft. 

Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 11. Juli 2019, C-502/18, (České aerolinie) bereits klargestellt hat, dass ausführende Luftfahrtunternehmen des ersten Teilfluges selbst dann passivlegitimiert sind, wenn die Verspätung erst auf einem weiteren Segment der einheitliche Flugreise auftritt, war im gegenständlichen Vorabentscheidungsverfahren zu eruieren, ob gegen das Beförderungsunternehmen eines Anschlussfluges Klage am Gerichtsort des ersten Ausgangsflughafens erhoben werden kann.

Nach dem Urteil des EuGH vom 29. Juli 2019 (C-354/18), hat auch der BGH eine beachtenswerte Entscheidung zum Fluggastrecht getroffen. Im Zentrum stand dabei die Frage, ob der gemäß Art 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung pauschalierte Schadenersatz auf etwaige weitergehende Schäden anzurechnen sei. Die Zulässigkeit einer solchen doppelten Entschädigung, hat der für das Reiserecht zuständige X. Senat des BGH nun eindeutig beantwortet.

Ausgangspunkt dieser Entscheidung waren zwei ähnlich gelagerte Fälle. Im ersten Verfahren handelte es sich um eine Pauschalreise von Frankfurt am Main nach Las Vegas (X ZR 128/18), das zweite betraf einen Flug von Frankfurt am Main nach Windhoek mit anschließender Safari (X ZR 165/18). In beiden Fällen, kam es zu einer verspäteten Beförderung der Fluggäste, weshalb die Kläger eine pauschale Ausgleichszahlung in Höhe von EUR 600,- gemäß Art 7 Abs. 1 lit. c FluggastrechteVO erhielten. Der weitere Schaden, dessen Anspruch sie in dem gegenständigen Verfahren durchzusetzen versuchten, bestand in den Kosten für ein zusätzliches Hotel, sowie bei einer der Reisen, in der Zahlung eines Mietwagens, welcher durch die Verspätung nicht genutzt werden konnte. Da diese individuellen Ansprüche insgesamt aber jeweils hinter den bereits ausgezahlten EUR 600,- zurückblieben, wurde das Recht auf eine zusätzliche Kompensationsleitung bestritten.

Mit diesem Anliegen befasst, erläuterte der BGH in seiner Begründung zunächst, dass mit den pauschalierten Zahlungen gemäß Art 7 Abs 1 lit. c der FluggastrechteVO ein Ausgleich der durch die Nichtbeförderung entstandenen materiellen und immateriellen Schäden gewährleistet werden soll. Weiters hielt er fest, dass es sich bei den von den Klägern zusätzlich eingeklagten Ansprüchen um so genannte weitergehende Schäden gemäß Art 12 Abs. 1 Satz FluggastrechteVO handelt. Diese können den gewährten Ausgleichzahlungen angerechnet werden, wobei dafür, wie auch der EuGH in der schon oben genannten Entscheidung nochmals festhielt, das nationale Recht herangezogen werden muss.

Der BGH kam dabei, nach Anwendung der für das deutsche Recht einschlägigen Grundsätze der Vorteilsausgleichung, zu dem Ergebnis, dass die zusätzliche Auszahlung der, nicht über die bereits ausgezahlte pauschale Ausgleichsleistung hinausgehende weitergehende Schaden, eine Überkompensation mit sich bringen würde. Da eine solche zu vermeiden sei, entschied er, dass dem Anliegen der Kläger in beiden Verfahren nicht stattzugeben sei. Um dieses Erkenntnis nochmals zu unterstreichen, verwies er ebenfalls auf Erwägungsgrund 36 und Art 14 Abs. 5 der Pauschalreiserichtlinie (RL 2015/2302),welche ebenfalls klarstellen soll, dass Ausgleichzahlungen nach der FluggastrechteVO auf vertragliche Ersatzansprüche gegen den Reiseveranstalter anzurechnen sind, um eine Überkompensation zu vermeiden.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH unmissverständlich klargestellt, dass die Ausgleichszahlungen nach der FluggastrechteVO auf weitere Schadenersatzforderungen angerechnet werden und der Fluggast bei Beförderungsverweigerung somit die Wahl zwischen diesen beiden Optionen treffen muss. Damit hat er die Überkompensation hintangehalten und der doppelten Entschädigung einen Riegel vorgeschoben.