Rechtsmittellegitimation einer anerkannten Umweltorganisation im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren

Im gegenständlichen Verfahren erteilte der Bürgermeister der Stadt Graz die naturschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 5 Abs 2 Z 2 und 5 iVm § 27 Abs 1 und 2 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 2017 (StNSchG) für die Umgestaltung des linken Murufers im Bereich des Augartens. Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber – zwei anerkannte Umweltorganisationen – Beschwerde an das LVwG Steiermark. Das Verwaltungsgericht vertrat jedoch die Ansicht, dass den Umweltorganisationen keine Rechtsmittellegitimation zukomme, da die anzuwendende Bestimmung den Schutz von Gewässern sowie des Uferbereichs zum Gegenstand habe. Der Artenschutz falle hingegen in die Zuständigkeit der Landesregierung. Gegen diese Entscheidung richtete sich die außerordentliche Revision der Umweltorganisationen. 

 

Zunächst hielt der VwGH fest, dass aus dem StNSchG keine Parteistellung von Umweltorganisationen abgeleitet werden kann. Zudem wurde die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts dahingehend bestätigt, dass eine aus der Aarhus-Konvention abgeleitete Rechtsmittellegitimation von Umweltorganisationen darauf beschränkt ist, im Verfahren die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen. Maßgeblich für das Vorliegen der Rechtsmittelbefugnis war daher die Frage, ob das zugrundeliegende naturschutzrechtliche Verfahren den Schutz von Normen des Unionsumweltrechts zum Gegenstand hatte.

In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass – wie dem naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid zu entnehmen ist – drei positive Stellungnahmen der steiermärkischen Landesregierung übermittelt wurden. Die Revisionswerber gingen daher nach Ansicht des VwGH zu Recht davon aus, dass der Bürgermeister inzident eine artenschutzrechtliche Prüfung gemäß den §§ 17, 18 und 19 StNSchG durchgeführt hatte. Es bestehen keine Zweifel darüber, dass der Landesgesetzgeber mit den zitierten Bestimmungen Umweltrecht der Union – nämlich die FFH-Richtlinie und die Vogelschutz-Richtlinie – umgesetzt hat. Insofern ist in der Beurteilung der belangten Behörde eine inzidente Anwendung unionsrechtlicher Artenschutzbestimmungen zu erblicken. Die Verneinung der Rechtsmittellegitimation der Umweltorganisationen mit der Begründung der mangelnden Anwendbarkeit der Aarhus-Konvention war daher verfehlt. Der angefochtene Beschluss wurde seitens des VwGH aufgehoben.

Dieses Erkenntnis bestätigt die bisherige Rechtsprechungspraxis von VwGH (Ro 2018/10/0010; Ra 2015/07/0055) und EuGH (C‑664/15, Protect) in komprimierter Weise, indem die Anwendung von Unionsrecht angenommen wird, obwohl die Bestimmung auf der die konkrete Bewilligung beruht nach unstrittiger Rechtsansicht keinen unionsrechtlichen Hintergrund aufweist. Es kann durchaus kritisch hinterfragt werden, ob alleine die Erwähnung positiver Stellungnahmen zum Artenschutz die Anwendung unionsrechtlicher Regelungen impliziert, jedoch steht diese Auslegung in Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur und gewährleistetet neben einer effektiven Umsetzung des Unionsrechts auch die Einhaltung hoher Umweltschutzstandards.

(VwGH 18.12.2020, Ra 2019/10/0081)

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