Der Europäischen Kommission kommt gemäß Artikel 258 AEUV die Befugnis zu, Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, die unionsrechtliche Vorgaben nicht fristgerecht umsetzen. Es handelt sich hierbei um ein mehrstufiges Verfahren, das mit einem Aufforderungsschreiben der Kommission eingeleitet wird. Bestätigt sich die mangelhafte Umsetzung unionsrechtlicher Bestimmungen und setzt der betroffene Staat nicht innerhalb der festgelegten Nachfrist die gebotenen Maßnahmen zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands, so kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen. Dieser ist berechtigt, Sanktionen über den Mitgliedstaat zu verhängen.
Bereits im Urteil zur Rechtssache Krüsemann (siehe Blogbeitrag) hat sich der EuGH mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein zu Annullierungen oder sonstigen Unregelmäßigkeiten im Luftverkehr führender Streik als außergewöhnlicher Umstand gemäß der VO (EG) 261/2004 zu qualifizieren ist und Luftfahrtunternehmen folglich von der Verpflichtung zur Ausgleichsleistung befreit. Die äußerst kasuistische Entscheidung warf jedoch mehr Fragen auf als sie beantwortete, weshalb es nicht überrascht, dass sich der Gerichtshof nun abermals mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu befassen hatte. Vorab sei festgehalten, dass das aktuelle Urteil – wenn auch im Ergebnis fragwürdig – über den konkreten Einzelfall hinaus Klarheit schafft.
Im gegenständlichen Vorabentscheidungsverfahren hatte sich der EuGH mit der Auslegung von Habitat- und Vogelschutzrichtlinie auseinanderzusetzen. Dem Verfahren lagen die Beschwerden zweier schwedischer Naturschutzvereine gegen die Entscheidung der Provinzverwaltungsbehörde Västra Götaland zugrunde. Mit dieser wurde die Genehmigung zur Rodung eines Waldgebiets erteilt, in dem verschiedene Vogelarten sowie der Moorfrosch ihren Lebensraum haben und das von diversen Arten mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Fortpflanzung genutzt wird.
Im gegenständlichen Verfahren erteilte der Bürgermeister der Stadt Graz die naturschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 5 Abs 2 Z 2 und 5 iVm § 27 Abs 1 und 2 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 2017 (StNSchG) für die Umgestaltung des linken Murufers im Bereich des Augartens. Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber – zwei anerkannte Umweltorganisationen – Beschwerde an das LVwG Steiermark. Das Verwaltungsgericht vertrat jedoch die Ansicht, dass den Umweltorganisationen keine Rechtsmittellegitimation zukomme, da die anzuwendende Bestimmung den Schutz von Gewässern sowie des Uferbereichs zum Gegenstand habe. Der Artenschutz falle hingegen in die Zuständigkeit der Landesregierung. Gegen diese Entscheidung richtete sich die außerordentliche Revision der Umweltorganisationen.
Hinsichtlich des 3. Teilabschnitts der Umfahrung Mattighofen-Munderfing hat die Oberösterreichische Landesregierung in einem vorgelagerten Feststellungsverfahren mit Bescheid ausgesprochen, dass keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Gegen diese Entscheidung erhob die – nunmehr als Revisionswerberin auftretende – anerkannte Umweltorganisation Beschwerde an das BVwG, welche jedoch als unbegründet abgewiesen wurde.
In einem Vorabentscheidungsverfahren hatte sich der EuGH kürzlich mit der Zulässigkeit von Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen auseinanderzusetzen. Dem Verfahren lag der Antrag einer natürlichen Person an das Staatsministerium des Landes Baden-Württemberg, auf Zugang zu Unterlagen über Baumfällungen im Park des Stuttgarter Schlosses, die im Rahmen der Durchführung des Verkehrsinfrastruktur- und Städtebauprojekts „Stuttgart 21“ stattfanden, zugrunde. Vorab ist festzuhalten, dass das im Ausgangsrechtsstreit anzuwendende Umweltverwaltungsgesetz Baden-Württemberg ebenso wie das österreichische Umweltinformationsgesetz (UIG) auf der Richtlinie 2003/4/EG beruht. Artikel 4 Abs 1 Buchstabe e leg cit lautet wie folgt:
Das dem gegenständlichen Beschluss zugrundeliegende Verfahren hat die Errichtung von sechs Windkraftanlagen in Kärnten zum Gegenstand. Gegen die zurückweisende Beschwerdeentscheidung des Landesverwaltungsgerichts erhob die beschwerdeführende Umweltorganisation Revision an den Verwaltungsgerichtshof und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
In seiner Entscheidung vom 9. September 2020 in der Rechtssache C-254/19 hat sich der Europäische Gerichtshof in erster Linie mit Art 6 Abs 3 der Habitatrichtlinie (RL 92/43/EWG) auseinandergesetzt. Dem gegenständlichen Vorabentscheidungsverfahren liegt die beabsichtigte Errichtung eines Wiederverdampfungsterminals für verflüssigtes Erdgas in Irland zugrunde. Der Vorhabensstandort befindet sich in unmittelbarerer Nähe von zwei Natura-2000-Gebieten. Im Jahr 2008 wurde von der zuständigen Behörde die entsprechende Genehmigung erteilt, wobei für die Ausführung des Vorhabens eine Frist von 10 Jahren festgesetzt wurde. In diesem Kontext ist anzumerken, dass die Genehmigung auf Grundlage einer – wie vom EuGH in der Entscheidung Kommission gegen Irland (13.12.2007, C‑418/04) festgestellt – europarechtswidrigen nationalen Rechtslage erging, da Irland die Habitatrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte. Die ursprüngliche Genehmigung hat folglich weder auf die Habitatrichtlinie noch auf die angrenzenden Schutzgebiete Bezug genommen. Nachdem der Bau des Terminals im September 2017 immer noch nicht begonnen hatte, beantragte der Projektwerber eine Verlängerung der Laufzeit der Baugenehmigung. Eine Projektänderung wurde mit diesem Verlängerungsantrag nicht vorgenommen. Die ursprüngliche Genehmigung endete am 31. März 2018, ohne dass die Arbeiten auch nur begonnen hatten. Am 13. Juli desselben Jahres gewährte die Behörde dem Projektwerber eine zusätzliche Frist von fünf Jahren zur Umsetzung des Vorhabens und führte im Rahmen dieses Verfahrens eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch. Art 6 Abs 3 der Habitatrichtlinie fand hingegen keine Anwendung.
Die Generalanwältin Juliane Kokott hat in den am 10. September veröffentlichten Schlussanträgen im Vorabentscheidungsverfahren zu den verbundenen Rechtssachen C-473/19 und C-474/19 potentiell richtungsweisende Rechtsansichten zu Habitat- und Vogelschutzrichtlinie vertreten. Dem Verfahren liegen die Beschwerden zweier schwedischer Naturschutzvereine gegen die Entscheidung der Provinzverwaltungsbehörde Västra Götaland zugrunde. Mit dieser wurde die Genehmigung zur Rodung eines Waldgebiets erteilt, in dem verschiedene Vogelarten sowie der Moorfrosch ihren Lebensraum haben. Zudem wurde festgestellt, dass die genannten Arten das Gebiet mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Fortpflanzung nutzen.
In Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Habitatrichtlinie (RL 92/43/EWG) wird jede Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten streng geschützter Tierarten im Sinne des Anhangs IV der Richtlinie verboten. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens wandte sich das Verwaltungsgericht Wien mit der Frage an den Europäischen Gerichtshof, ob unter dem Begriff der Ruhestätte im Sinne der genannten Bestimmung auch mittlerweile verlassene, ehemalige Ruhestätten zu verstehen sind. Dem Ausgangsverfahren liegt ein Sachverhalt zu Grunde, bei welchem im Zuge von Vorarbeiten Baue von Feldhamstern zerstört worden waren. Der Beschuldigte führte zu seiner Verteidigung aus, dass die Baue zum Zeitpunkt der schädigenden Maßnahmen nicht benutzt worden seien.